Ende der Prasserei

Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten machen besonders den Fußballer-Paradiesen in Spanien, England und Italien zu schaffen. Profiteure der Krise könnte es in der Bundesliga geben.
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Selbst für Superreiche wie Roman Abramowitsch (l.) wird der Profifußball allmählich zu teuer.
dpa Selbst für Superreiche wie Roman Abramowitsch (l.) wird der Profifußball allmählich zu teuer.

Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten machen besonders den Fußballer-Paradiesen in Spanien, England und Italien zu schaffen. Profiteure der Krise könnte es in der Bundesliga geben.

Schuldenberge, Sparzwänge, Sponsorensuche - die Turbulenzen auf den Finanzmärkten haben den Fußball erreicht. Jüngste Meldungen über den drohenden Konkurs des FC Valencia dokumentieren den Trend. Selbst in den einstigen Geldparadiesen in Spanien, England und Italien ist die Zeit der Prasserei vorbei. Und auch die von steinreichen Oligarchen alimentierten Klubs wie der FC Chelsea schnallen den Gürtel enger. Mit Blick auf die Entwicklung stellte Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann in einem Interview eine Zeitenwende in Aussicht: «Die Finanzkrise wird den Fußball die nächsten Monate richtig treffen. Es wird eine Neudefinierung des Marktes geben, auch was Transfers und Gehälter betrifft.»

Immer mehr europäische Vereine geraten in finanzielle Nöte. «Der FC Valencia steht am Rande des technischen Bankrotts», titelte das Sportblatt «Marca». Die Verhandlungen des spanischen Pokalsiegers mit der Bank Bancaja über eine Aufstockung eines laufenden Kredites in Höhe von 240 Millionen Euro um weitere 100 Millionen gestalten sich schwierig. Nach den Kriterien der spanischen Zentralbank handele es sich bei dem gewünschten Kredit um eine «Operation auf der höchsten Risikostufe», hieß es aus Bankenkreisen. Deshalb verlangt der Verhandlungspartner vom Klub zusätzliche Sicherheiten. Schon seit Monaten wirbt der FC Valencia auf seinen Trikots für ein längst bankrottes Unternehmen, das keinen Euro mehr zahlt. Andere spanische Erstligisten wie Racing Santander oder Deportivo La Coruna spielen ohne Trikotsponsor. Die Hemden des FC Malaga ziert ein Schriftzug der spanischen Hafenstadt an der Costa del Sol, Betis Sevilla macht Reklame für Andalusien. Der Glaube an unbegrenztes Wachstum ist auch in der reichsten Liga der Welt passé. Mit 736 Millionen Pfund - umgerechnet 858 Millionen Euro - steht der FC Chelsea, Tabellen-2. der Premier League, in der Kreide. Zudem nimmt die Spendierfreudigkeit von Mäzen Roman Abramowitsch spürbar ab. Kostspielige Vorhaben wie ein Neubau am Trainingsgelände wurden gestoppt, die meisten Talente-Späher bereits verabschiedet. Ähnlich wie Klinsmann spricht Felipe Scolari von veränderten Realitäten: «Wir dürfen nicht vergessen, dass viele Klubs Rote Zahlen schreiben, weil sie ausgegeben haben, was sie nicht hatten. Es ist Zeit für eine neue Philosophie», sagte der Chelsea- Coach dem «Observer».

Interesse am teuren Spielzeug verloren

Englische Klubs wie Newcastle United oder FC Everton stehen zum Verkauf, finden aber keinen Käufer. Prominente Geldgeber wie Mohamed Al-Fayed (FC Fulham) scheinen genug von ihrem teuren Spielzeug zu haben. In schweres Fahrwasser ist West Ham United geraten. Intensiver denn je denkt Besitzer Björgolfur Gudmundsson, Hauptaktionär der isländischen Pleitebank Landsbanki, über den Verkauf des mit 36 Millionen Pfund (42 Millionen Euro) verschuldeten Klubs nach. Zu allem Überfluss meldete West Ham-Trikotsponsor XL im Oktober Konkurs an. Auch in Italien kann von sorgenfreien Zuständen nicht mehr die Rede sein. Ein Niedergang wie beim einstigen Europacup-Sieger AC Parma, der seit dem Zusammenbruch des Parmalat-Konzerns vor vier Jahren als FC Parma nur noch ein Schattendasein fristet, ist auch für andere Klubs nicht auszuschließen. Angesichts dieser internationalen Entwicklung wollte Bayern-Coach Klinsmann nicht ausschließen, dass Superstars in Zukunft auch wieder Interesse an der Bundesliga finden: «Es wird neue Konstellationen geben. Spieler, deren Verpflichtung jetzt im Januar undenkbar wäre, sind vielleicht im Juni zu viel niedrigen Summen zu haben.» Nicht auszuschließen, dass es in Deutschland sogar Profiteure der Krise gibt. Denn nach Meinung von Reinhard Rauball steht die Bundesliga in schwerer werdenden Zeiten vergleichsweise gut da. «Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass sich auch in England, Italien und Spanien manche Dinge normalisieren», sagte der Ligaverbands-Präsident. «Als mich ein Kollege aus der Bundesliga einmal fragte, wie die Diskrepanz zwischen der Finanzkraft der großen Ligen auf der einen und der Bundesliga auf der anderen Seite verkleinert werden könnte, habe ich gesagt: durch den Zeitablauf.» (dpa)

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