Eklat bei «Bleus»: «Streik» von Ribéry & Co.

Knysna (dpa) - Fußball-Vizeweltmeister Frankreich verkommt in Südafrika zum Tollhaus. Mit einem Trainings-«Streik» haben Franck Ribéry & Co. gegen den Ausschluss von Nationalstürmer Nicolas Anelka protestiert.
Anelka soll Trainer Raymond Domenech wüst beleidigt haben und musste deshalb vorzeitig die Heimreise antreten. Ein handfester Streit zwischen Kapitän Patrice Evra und Konditionstrainer Robert Duverne sowie die Kündigung von Delegationschef Jean-Louis Valentin machten das Chaos komplett.
«Ich bin empört und angewidert, ich gebe meinen Job hier auf. Was hier passiert, ist ein Skandal für den Verband, für die französische Mannschaft und für das gesamte Land. Die wollen nicht trainieren. Das ist inakzeptabel», erklärte Valentin sichtlich erschüttert. Beim Streit zwischen Evra und Duverne musste Domenech die beiden Männer trennen, um eine Eskalation zu verhindern. Duverne warf seine Stoppuhr zu Boden und ging verärgert davon.
Auch wenn die «Grande Nation» geschockt und Staatspräsident Nicolas Nicolas Sarkozy empört ist - die Profis nehmen den bereits abgereisten Buhmann in Schutz: «Alle Spieler der Mannschaft von Frankreich wollen ohne Ausnahme ihre Opposition gegen den vom Französischen Fußball-Verband beschlossenen Ausschluss von Nicolas Anelka bekanntgeben», heißt es in einem Kommuniqué.
Mit seinem verbalen Ausraster gegen Domenech hat Anelka aber sogar Sarkozy bestürzt. «Das ist inakzeptabel», klagte Frankreichs Präsident bei einem Russland-Besuch. Während der 31 Jahre alte Profi vom englischen Meister FC Chelsea mit sofortiger Wirkung suspendiert wurde und vor dem Ende seiner Auswahl-Karriere steht, wurde im französischen WM-Quartier die Jagd auf den Team-«Maulwurf» eröffnet. «Ein Verräter hat einige Sachen ausgeplaudert. Wir werden erst erleichtert sein, wenn wir wissen, wer es war», sagte Ribéry sichtlich bewegt im französischen Fernsehen.
Domenech sei zwar der Boss. «Aber die Sachen, die in der Kabine passieren, müssen auch in der Kabine bleiben», sagte Ribéry. Der Star vom deutschen Meister FC Bayern München bekannte, er habe «Tränen in den Augen gehabt», als Anelka am Sonntag das WM-Quartier in Knysna verlassen musste.
Ribéry schloss sich damit seinem Kapitän Evra an, der schon zuvor angeprangert hatte, dass ein Spieler die Vorkommnisse in der Halbzeitpause der Begegnung gegen Mexiko (0:2) ausgeplaudert hatte. «Er muss gefunden und ausgeschlossen werden», forderte Evra. Ribéry erklärte in seinem ersten Interview seit WM-Beginn, das auf eigene Initiative zustande kam, dass die Mannschaft für einen Verbleib Anelkas gewesen sei. «Er ist sehr betroffen, weil er die Nationalelf liebt», berichtete Ribéry.
Anelkas obszöne Beschimpfungen gegen den 58 Jahre alten Domenech waren vom Sportblatt «L'Équipe» in großen Lettern auf der Titelseite enthüllt worden. Anelka dementierte die veröffentlichten Zitate, seinen Rauswurf konnte er aber nicht verhindern. «Das sind nicht meine Worte», beteuerte der Stürmer. Doch das öffentliche Urteil über das «Enfant terrible» war längst gefällt. Politiker, Funktionäre, ehemalige Spieler und Trainer forderten empört den Ausschluss Anelkas, der nach einem Krisengespräch mit Verbandspräsident Jean-Pierre Escalettes seine Koffer packen musste.
«Die Worte von Nicolas Anelka gegen den Nationaltrainer Raymond Domenech sind völlig inakzeptabel für den FFF, den französischen Fußball und für die Werte, die er verteidigt», rechtfertigte der Verband den WM-Ausschluss des Angreifers. Zuvor hatte Escalettes Anelka im Beisein von Evra dazu aufgefordert, sich bei Domenech, dem Trainerstab und dem gesamten Kader der «Bleus» sowie auch bei den Franzosen allgemein zu entschuldigen. Doch der Stürmer weigerte sich.
Laut «L'Équipe» hatte Anelka den Coach in der Halbzeit des Mexiko- Spiels vor der gesamten Mannschaft mit obszönen Ausdrücken verbal attackiert. Zuvor hatte der in der Mannschaft umstrittene Domenech Anelka «bestimmt und genervt, aber in höflicher Form» aufgefordert, mehr Einsatz zu zeigen. Nach der Beleidigung von Anelka sagte Domenech kurz: «Okay, du bist draußen». Der Stürmer sei mit den Worten «Alles klar» sofort unter die Dusche gegangen.
Der von «L'Equipe» veröffentlichte Skandal schockte die «Grande Nation». In einer Umfrage der Zeitung «Le Figaro» wünschten mehr als 80 Prozent der Leser dem enttäuschenden Team das ohnehin wahrscheinliche WM-Aus in der Vorrunde.
Wie zerrissen das Team ist, verdeutlichte die Reaktion von Evra. Der Kapitän äußerte große Betroffenheit, allerdings nicht über Anelka. «Wir stehen schon mitten im Debakel und da legt einer noch nach. Das Problem ist nicht Anelka. Es ist der Verräter, der den Medien das alles enthüllt hat», sagte er. «L'Équipe» stellte allerdings klar, dass es «mehr als einen Zeugen» für den Vorfall gebe. Ribéry jammerte: «Gerade jetzt, wo wir noch ein wichtiges Spiel gegen Südafrika haben, hauen alle auf uns ein».
Auch Anelka war erbost über den «Verrat». Dennoch wird er sich vor dem Disziplinarrat des Verbandes verantworten müssen. Vizepräsident Christian Teinturier forderte: «Er darf nie wieder das französische Trikot tragen».