Ein letztes Fest für „König Otto“?

Otto Rehhagel wird am 8. August 70. In Griechenland mehren sich jetzt die Anzeichen für eine baldige Abdankung des Fußball-Nationaltrainers.
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ATHEN - Otto Rehhagel wird am 8. August 70. In Griechenland mehren sich jetzt die Anzeichen für eine baldige Abdankung des Fußball-Nationaltrainers.

Woher haben die Griechen eigentlich ihre „Galanolevkos“, ihre „Hellblauweiß“ genannte Flagge? Die Farben sind tatsächlich geborgt von den Bayern, schließlich wurde der bayrische Prinz Otto I. 1832 zum König von Griechenland gekrönt. Was Wunder, dass dieses Land sich im Fußball weiter von „König Otto“ regieren lässt. Am 8. August wird besagter Otto Rehhagel 70 – und fühlt sich immer noch jung genug, die griechische Nationalmannschaft 2010 zur WM in Südafrika zu führen.

Vielleicht ist der Bergarbeitersohn aus Essen ja auch wirklich alterslos? Als die während der EM in Salzburg auftretenden Griechen mit einer Spielweise aus der Steinzeit grandios scheiterten, wunderten sich Beobachter, dass der graumelierte Torhüter Antonios Nikopolidis doppelt so alt aussah wie Rehhagel. Schon spottete man darüber, dass der Ehrenbürger Athens, nach dem Sensationssieg bei der EM 2004 in Portugal kurzerhand „Rehakles“ getauft, zum Dank Haarfärbemittel für alle Ewigkeit geschenkt bekomme und ein Fußball-Gott ohne Grautöne sei.

Der Mann, der nicht raucht und trinkt, findet solche Unterstellungen unerhört. Absolut unerwünscht sind Zweifel an seinen Methoden und Marotten – wer heute eine Übungseinheit mit dem im Trainingsanzug gestikulierenden Diktator vergleicht mit seinem Training von vor 20, 30 Jahren, stellt keine Unterschiede fest. Bei Kritik reagiert der griechische Nationalcoach so unwirsch wie chinesische Olympiamacher bei der Internetzensur. „Was Sie fragen wollen, weiß ich schon längst: Ich bin nämlich viel älter als Sie!“ tönte Rehhagel nach dem ersten EM-Gruppenspiel gegen Schweden (0:2). Als das Spiel gegen Russland (0:1) verloren war, dozierte er darüber, dass die Akropolis noch in 3000 Jahren stehe, „in 200 Jahren sind wir aber alle nicht mehr da“. Und nach dem Abgesang gegen Spaniens Ersatzelf (1:2) beschied er, er habe nie behauptet, „dass wir Europa schwindlig spielen werden – lassen Sie mich in Frieden“.

Der Familienmensch, seit Gründung der Bundesliga 1963 mit Beate verheiratet, geriert sich gerne als „Mann des Friedens“ (Spiegel 1997). Rehhagel verlor früh seinen Vater, er hatte Maler und Anstreicher gelernt und allein dem Fußball seinen sozialen Aufstieg zu verdanken. Als Aktiver war er ein disziplinierter Arbeiter, ehrgeizig, oft überhart. Ein Verteidiger, der es bei Hertha BSC und 1. FC Kaiserslautern bis 1972 auf 201 Bundesligaspiele (22 Tore) brachte. Tapfer kämpfte er sich auch als Trainer nach oben. Stationen in Offenbach, Bremen, Dortmund, Bielefeld und Düsseldorf haftete in den 70er-Jahren der Makel der Beliebigkeit an – der Mann wurde eingestellt, wenn Not am Mann war. „Otto Nothagel“ nannte ihn die Branche – und taufte ihn in „Torhagel“ um, als im April 1978 der damals 40-Jährige Fußballlehrer mit Borussia Dortmund gegen Mönchengladbach ein 0:12-Debakel erlebte.

Bestechungsvorwürfe geisterten durch den Raum. Seinen Ruf stellte das kulturell interessierte „Kind der Bundesliga“ (Rehhagel über Rehhagel) erst her, als der Alleinherrscher sich im Bremer Biotop ein zweites Mal entfalten durfte. Sein 14-jähriges Wirken bei Werder verschafften ihm Titel und Anerkennung. Die Schrammen, die er mit seinem Wechsel 1995 zum FC Bayern davontrug, polierte er weg, als er mit dem Provinzverein 1. FC Kaiserslautern 1998 deutscher Meister wurde – als Aufsteiger.

Seine eigene Einschätzung („Mit 50 bist du als Trainer reif für die Klapsmühle“) hatte er da schon ad absurdum geführt. So ehrenwert seine Verdienste nun auch in Griechenland sind, so trägt seine vertraglich bis 2010 fixierte Zusammenarbeit mit dem Verband doch ein Verfallsdatum. Hat man ihm dort doch einen Torwarttrainer, einen Teammanager und einen Scout aufgenötigt. Der Cheftrainer hatte sich bis zuletzt gegen deren Inthronisierung gewehrt. Sind es die Vorboten, dass „König Otto“ bald vom Thron gestürzt wird?

Frank Hellmann

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