Doping-Kronzeuge hat Beweise gegen russischen Fußball
London - Neue Aussagen des russischen Whistleblowers Gregorij Rodtschenkow setzen wenige Tage vor der Auslosung zur Fußball-WM den Gastgeber Russland unter Druck - und auch der Weltverband FIFA steht wegen seiner Aufklärungsarbeit in der Kritik. Rodtschenkows Anwalt Jim Walden bestätigte der englischen Zeitung Mail on Sunday, dass sein Mandant Beweise für die Verwicklung russischer Fußballer, darunter auch Nationalspieler, in den Dopingskandal des Landes habe.
Derzeit untersucht die Fifa bereits die Erkenntnisse aus den Berichten des WADA-Sonderermittlers Richard McLaren. Gegenstand der Untersuchung soll auch der gesamte russische WM-Kader von 2014 sein. McLaren berichtete von 34 Fällen im Fußball.
Die Fifa verwies vor wenigen Tagen auf SID-Anfrage zum Stand der Ermittlungen auf verschiedene Dinge: dass man im engen Kontakt zur Welt-Anti-Doping-Agentur Wada stehe und sich auch schon mit McLaren unterhalten habe. Dass Russland von den im McLaren-Report erwähnten Fußballern bereits zwei U20-Spielerinnen sanktioniert habe, allen anderen bislang aber kein Dopingvergehen nachgewiesen werden konnte.
Nur: Bei Rodtschenkow beziehungsweise dessen Anwalt hat sich bislang offenbar niemand von der Fifa gemeldet. "Mein Telefon ist an", sagte Walden. Sein Mandant sei bereit, der FIFA zu helfen: "Ich kenne die FIFA nicht gut, aber wenn sie wie einige andere internationale Sportverbände agieren, wollen sie nicht jeden Stein umdrehen. Sie sind mit ihrem Kopf im Sand glücklich."
Rodtschenkow lebt in Zeugenschutzprogramm
Der Jurist warf zudem die Frage auf, was denn passieren würde, wenn die FIFA russischen Fußballern Doping nachweisen könnte. "Wie fatal wäre es, wenn sie Russland von der Heim-WM ausschließen müssten", sagte er. Zudem belastete Rodtschenkow auch den russischen Vizepremier Witali Mutko weiter. Der ehemalige Sportminister ist Vorsitzender des russischen WM-Organisationskomitees und Präsident des russischen Fußball-Verband RFS.
Sein Mandant, so Walden, habe vor der zuständigen Kommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, wonach Mutko an der Doping-Verschwörung beteiligt gewesen sei. Die Verwicklung Mutkos sei der Hauptpunkt seiner über 50-seitigen Aussage vor der sogenannten Schmid-Kommission gewesen, die sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit staatliche Stellen in den Skandal verwickelt sind.
Rodtschenkow, ehemaliger Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors, hatte im Mai 2016 von einem systematischen Dopingsystem in Russland, darunter auch bei den Olympischen Spielen in Sotschi berichtet. Darin sollen insgesamt rund 1.000 Sportler involviert gewesen sein. Inzwischen lebt er in den USA in einem Zeugenschutzprogramm.
Wie reagiert die Fifa?
Auf Anfrage der Mail on Sunday erklärte ein Sprecher Mutkos, dieser sei zu beschäftigt, um auf Fragen zu antworten. Während des Confed Cups im Juni und Juli hatte Mutko dagegen noch einen filmreifen Auftritt hingelegt. In einem mehr als neun Minuten langen Monolog ließ er keinen Zweifel daran, wie sehr ihn das Thema ärgert.
"Wir investieren eine Menge Geld, da brauchen wir kein Doping, um irgendeine Bronzemedaille zu gewinnen", sagte Mutko. Ein staatlichen Dopingprogramm habe es "nie gegeben". Der internationalen Presse rief er zu: "Wenn ich einen russischen Tanz vor Ihnen aufführe, hören Sie dann auf, diese Fragen zu stellen?"
Das IOC will am 5. Dezember über eine Teilnahme Russlands an den Olympischen Winterspielen entscheiden. Ob die Fifa ebenfalls Maßnahmen ergreift, scheint derzeit mehr als ungewiss.
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