"Die positive Energie kommt bei Boris an"

Hoffenheim-Profi Vukcevic liegt weiter im Koma. Seine Kollegen wollen für ihn spielen, am Samstag müssen sie das beim FC Bayern tun. Hier erklärt Manager Müller, wie das Team damit umgeht
Oliver Trust |
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AZ: Herr Müller, von einer „normalen” Vorbereitung auf das Spiel beim FC Bayern kann man nach dem schrecklichen Unfall von Boris Vukcevic, der noch immer im Koma liegt und um sein Leben kämpft, nicht sprechen?

ANDREAS MÜLLER: Das stimmt, aber das hat ja mit Bayern nichts zu tun. Es geht darum, dass wir alles tun, was wir tun können, damit Boris wieder gesund wird und der Mannschaft und allen Mitarbeitern helfen, mit der Situation umzugehen.

Die Mannschaft bekam zwei freie Tage.

Nach der Nachricht von Boris’ Unfall und dem Spiel am Samstag gegen Augsburg war es wichtig, dass alle zur Familie, Freunden und Frauen in eine vertraute Umgebung gegangen sind. Das haben wir mit dem Gefühl getan, den richtigen Weg zu gehen.

Wie lief die Zeit ab, als Sie vom Unfall erfahren haben?

Wir haben eine Art Krisenstab einberufen und stehen im ständigen Austausch. Am Mittwoch waren Boris’ Eltern bei uns, sie haben uns erzählt, wie sehr es Ihnen hilft, den immensen Zuspruch der Mannschaft, der Fans, aller Mitarbeiter und der gesamten Liga gespürt zu haben. Ich bin sicher, dass etwas von der positiven Energie auch bei Boris angekommen ist. Daran glaube ich.

Es wurden viele Gespräche geführt?

Das war das Bedürfnis von allen. Unser Teampsychologe Jan Mayer, Markus Babbel und ich haben viele Gespräche geführt. Noch am Freitag vor dem Augsburg-Spiel hat uns Boris’ Familie gesagt, dass sie sicher sind, dass Boris will, und auch sie, dass wir spielen. Die Mannschaft wollte das ebenfalls, nachdem wir auch über eine Absage nachgedacht hatten.

Ist das nun die schwierigste Situation für Sie in Ihrer Manager-Karriere?

Ohne Frage die schwierigste. Aber es geht nicht um mich, es geht darum, dass Boris gesund wird und wir seiner Familie helfen können. Alle sind traurig, aber wir haben im Gespräch mit seiner Familie gemerkt, wie es allen Kraft und Mut gibt, die Situation gemeinsam zu verarbeiten.

Mancher außerhalb hat Vergleiche zum Fall von Robert Enke hergestellt, der sich das Leben nahm?

Das lässt sich nicht vergleichen. Boris lebt und wir haben es mit einer anderen Situation als beim tragischen Tod von Robert Enke zu tun.

Kann eine Profi-Mannschaft in einer solchen Situation überhaupt Dinge wie Siegeswillen und Konzentration aufbringen?

Das ist ein sensibles Thema und eine spannende Frage. Es geht darum, in eine Art Alltag zurückzufinden. Fußball ist unser Beruf und wir haben eine Verpflichtung. Es geht auf der einen Seite um Hoffnung und Zuversicht, dass es Boris packt, wovon wir alle überzeugt sind, und es geht darum, dass wir es auf dem Spielfeld packen. Auf die Frage, was am Samstag auf dem Platz passiert, aber kann ich Ihnen keine Antwort geben.

Es geht nicht zuerst darum, zu gewinnen?

Auch das kann ein Teil Hilfe für Boris und seine Familie sein, positive Energie zu erzeugen. Ich will nicht übertreiben und sagen, wir wollen nur für Boris gewinnen, aber er spielt eine sehr bedeutende Rolle.

Wie stärkt man in dieser Situation die Mannschaft?

Indem man vertraute Rituale und Abläufe in den Vordergrund rückt. Man wird das nie ganz abstreifen können, aber wichtig ist ein möglichst normaler Ablauf, sei es der taktischer Dinge und Trainingsstrukturen, die die Mannschaft kennt.

Gibt es direkten Kontakt zu Boris Vukcevic und konnten Sie oder die Mannschaft Ihn besuchen?

Für ihn geht es um absolute Ruhe, nur seine Eltern dürfen zu ihm. Natürlich wächst der Wunsch im Team, ihn zu besuchen, aber das muss warten. Wir bekommen regelmäßig Signale der Eltern wie es ihm geht. Maurizio Gaudino hält engen Kontakt. Wie wir auch Kontakt zum LKW-Fahrer haben, mit dessen Fahrzeug Boris kollidierte. Wir werden ihn einladen, wenn die Zeit dafür reif ist.

Lassen Sie uns trotzdem über die Bayern reden, dort gibt es einen Manager, der dem Trainer helfen sollte. Das war in Hoffenheim auch die Begründung für Ihre Verpflichtung. Nun streiten in München Manager und Trainer?

Und was soll ich dazu jetzt sagen?

Wie Sie das Gezänk finden zwischen Matthias Sammer und Jupp Heynckes zum Beispiel und wie es bei Ihnen in Hoffenheim funktioniert.

Ich rede nie über andere, Bayern ist also nicht mein Thema. Grundsätzlich aber darf es doch mal rauschen im Gebälk. Wenn man sich nachher zusammenrauft, kann das befruchtend sein.

In Hoffenheim gibt es keinen Krach?

Bei uns war es so, dass Markus Babbel den Austausch gebraucht hat. Wenn man als Externer kommt, sieht man manches anders. Mit Markus hatte ich vom ersten Tag an ein offenes Verhältnis. Es passt. Wir sagen uns alles, ohne, dass jemand beleidigt ist. Babbel ist ein Teamplayer, genauso wie ich.

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