Die ewigen Zweiten - Tränen bei Sneijder und Co.

Johannesburg (dpa) - Oranje trug Trauer. Mit schwarzen Daunenjacken und grimmigen Mienen verfolgten Arjen Robben und Co. das bunte Treiben der spanischen WM-Sieger auf dem Rasen.
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Wesley Sneijder vergießt nach der Final-Niederlage gegen Spanien Tränen.
dpa Wesley Sneijder vergießt nach der Final-Niederlage gegen Spanien Tränen.

Johannesburg (dpa) - Oranje trug Trauer. Mit schwarzen Daunenjacken und grimmigen Mienen verfolgten Arjen Robben und Co. das bunte Treiben der spanischen WM-Sieger auf dem Rasen.

Die Bayern-Stars Robben und Mark van Bommel starrten nach ihrem zweiten verlorenen großen Finale innerhalb von zwei Monaten konsterniert ins Leere, Spielmacher Wesley Sneijder konnte seine Tränen nicht unterdrücken. Hollands Fußball-Legende Johan Cruyff zeigte jedoch kein Mitleid mit seinen Nachfolgern. «Das Spiel war hässlich, hart, grob und viel zu defensiv. Es war nicht schön anzusehen und es war wenig Fußball drin», wetterte der Vize-Weltmeister von 1974 in seiner Kolumne für die spanische Tageszeitung «El Periodico».

Bei den «Oranje-Stars» drängte das dritte Finaltrauma nach 1974 und 1978 den Stolz über ein insgesamt gutes Turnier zumindest für einen Abend in den Hintergrund. «Diese Niederlage werde ich mein komplettes Leben mit mir rumtragen», sagte van Bommel. «Ich denke, dass diese stabile und erfahrene Mannschaft mehr verdient gehabt hätte als Platz zwei.» Der Hamburger Joris Mathijsen war ebenfalls frustriert: «Wir können uns jetzt nicht hinstellen und sagen, wir sind stolz auf den zweiten Platz. Wir waren so nah dran.»

Alle Hoffnungen, die im Heimatland legendäre 70er-Jahre Generation um Superstar Cruyff überflügeln zu können, erwiesen sich als Wunschdenken. Stattdessen machte das Gerede vom ewigen Zeiten die Runde. «Was als fröhliches Fest in Städtern und Dörfern begann, endete in einem kräftigen Kater», schrieb die Tageszeitung «Trouw».

Mit dem späten Treffer von Andres Iniesta nur vier Minuten vor Ende der Verlängerung erlosch der Glaube an den ersten WM-Gewinn der kleinen Nation. «Ich bin sehr enttäuscht. Es ist total frustrierend, so kurz vor Schluss zu verlieren», sagte Robben. Der Münchner Flügelflitzer hatte in der zweiten Halbzeit zweimal die große Chance zur Führung, verpasste aber die Krönung seines rasanten Comebacks, nachdem sein WM-Einsatz lange Zeit unmöglich schien. «Robben hatte den Pokal auf dem Fuß», schrieb «de Volkskrant». Der Bayern-Star war untröstlich: «Ich habe da keine Entschuldigung für. Der Torwart hat sein Tor schon sehr klein gemacht, aber das Ding muss ich machen.»

Die Enttäuschung der Holländer bekam vor allem der schwache Schiedsrichter Howard Webb zu spüren. Minutenlang redete eine Gruppe um Mathijsen und van Bommel nach der Partie auf den Engländer ein. Seine Entscheidung, wenige Sekunden vor dem entscheidenden Treffer der Spanier nicht auf Ecke zugunsten der Niederländer entschieden zu haben, sorgte für lange Diskussionen.

«Ein WM-Finale sollte einen Schiedsrichter von Weltniveau leiten. Das war heute nicht so», klagte Robben. «Das hätte sogar ein Blinder gesehen», ereiferte sich Torwart Maarten Stekelenburg. Trainer van Marwijk war um Fassung bemüht, äußerte aber einen schlimmen Generalverdacht: «Der Mann war auf Spaniens Seite», meinte van Marwijk, der seine Silbermedaille nach der Siegerehrung sofort enttäuscht in der Hosentasche verstaute. «Oranje fühlt sich bestohlen», titelte das «Algemeen Dagblad».

Allerdings konnte sich die «Elftal» nicht beklagen, dass der ehemalige Hamburger Nigel De Jong bei seiner Kung-Fu-Attacke in der ersten Halbzeit gegen Xabi Alonso nicht schon früh die Rote Karte sah. Mit ihrer mitunter rüden Gangart - immerhin acht Profi sahen Gelb - verspielten die Niederländer einen Teil der Sympathien, die sie sich im bisherigen Turnierverlauf aufgebaut hatten.

Für kritische Fragen nach dem harten Einsteigen seiner Profis brachte Trainer van Marwijk dennoch kein Verständnis auf: «Es ist nicht unser Stil, schreckliche Fouls zu begehen. Das ist nicht unser Fußball.» Die Tageszeitung «de Volkskrant» bat dennoch, sich an die alten niederländischen Tugenden zu erinnern. «Bondscoach van Marwijk darf stolz sein, obwohl eine Rückkehr zu einer reineren Form des Fußballs ratsam erscheint.»

Immerhin war Manndecker Mathijsen selbstkritisch genug, die alleinige Schuld an der Niederlage nicht dem Unparteiischen zu geben: «Bisher haben wir in jeden WM-Spiel ein Tor gemacht. Heute leider nicht. Aber wer Weltmeister werden will, muss im Endspiel treffen.» Die Zeitung «Telegraaf» stimmte dem HSV-Profi zu. «1974 waren wir die Besten. 1978 waren wir die Besseren. 2010 waren wir nicht gut genug.»

In der Heimat war die Freude über den dritten Finaleinzug der WM- Historie in Frust und Enttäuschung umgeschlagen. In zahlreichen Städten gab es kleinere Ausschreitungen und Festnahmen. Doch mit einer Nacht Abstand wollten die Niederlande ihren Helden vom Kap doch noch einen großen Empfang bereiten. Für diesen Dienstag sind Empfänge bei Königin Beatrix und Ministerpräsident Balkenende geplant. Zum anschließenden Bootskorso über die Grachten Amsterdams, der trotz der Pleite stattfinden wird, und der anschließenden Feier vor dem Reichsmuseum werden erneut rund eine Million Menschen erwartet.

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