Deutschlands herber Dämpfer bei der Mini-Heim-EM: Zurück in der neuen, alten Realität
Wie sich die Bilder gleichen: wieder Stuttgart, die Arena von Hausherr VfB im Stadtbezirk Bad Cannstatt. Erneut war es ein schwül-warmer Sommernachmittag. Und am Ende ließen die deutschen Spieler wieder die Köpfe hängen, gingen auf eine Ehrenrunde, in der sie von den Fans getröstet wurden. Auf der anderen Seite freuten sich die Gegenspieler, wenn auch die Franzosen diesmal nicht so ausgelassen feierten wie die Spanier vor elf Monaten.
Natürlich ging es bei der EM 2024 um mehr als bei diesem Mini-Turnier, der Nations-League-Endrunde. Dennoch herrschte bei der deutschen Nationalmannschaft erneut dieses Gefühl der Leere, der Enttäuschung nach dem verdienten 0:2 gegen Frankreich im Spiel um den Trostpreis, um Platz drei. Diesmal jedoch kanalisierte sich die Wut nicht auf den Schiedsrichter wie an Ort und Stelle nach dem Handspiel des Spaniers Marc Cucurella, das auch zur 1:2-Niederlage in der Verlängerung und dem Aus im Viertelfinale führte, sondern auf die eigene Fahrlässigkeit, den massiven Chancenwucher.
"Gerade, wenn man die erste Halbzeit sieht, müssen wir nach sechs Minuten 3:0 führen, dann haben wir einen anderen Nachmittag", monierte Kapitän Joshua Kimmich bei RTL und dachte an die Möglichkeiten der Offensive um Niclas Füllkrug, Nick Woltemade und Karim Adeyemi.

Kimmichs Analyse: "Dann gehen wir unglücklich in die Pause. Wir haben zu früh die Geduld und die Struktur verloren. Wir haben einen Konter nach dem nächsten gefangen, zu viele Fehler gemacht. Für die Franzosen war es ein perfektes Spiel." Beinahe geschenkt.
Kimmich: "Die Franzosen hatten zu Anfang gar keinen Bock zu gewinnen"
Dabei hatte den Bayern-Profi kurz nach dem Anpfiff ein Gefühl beschlichen, dass ihn hinterher richtig ärgerte: "Wenn man sich die erste Halbzeit anschaut und ehrlich ist: Die Franzosen hatten zu Anfang gar keinen Bock zu gewinnen – und gewinnen dann trotzdem."
Eingeladen vom DFB-Team! Mon dieu! Torhüter Marc-André ter Stegen, mit Abstand der beste deutsche Spieler des Nachmittags, konnte nur zwei Mal nicht entscheidend eingreifen. Ohne die Nummer eins wäre die Niederlage zum Debakel geworden. Willkommen in der neuen, alten Realität.
Am Mikrofon bei DAZN meinte Nagelsmann, man könne "nicht die Versäumnisse von acht Jahren aufholen", betonte jedoch: "Ich habe der Mannschaft gesagt, dass wir aktuell vielleicht ein paar Prozentpunkte schlechter sind als die Top-Teams. Natürlich ist es ein extrem weiter Weg. Aber ich spüre in dieser Gruppe, im ganzen Staff schon was, die haben etwas Besonderes. Dennoch brauchen wir die absolute Gier, die Chancenverwertung, einen Sahnetag. Dann kann da was möglich sein."
Die WM-Quali wird fürs DFB-Team zur Durchgangsstation
Bei der WM 2026 in Nordamerika, für die man sich angesichts der Gruppengegner Slowakei, Nordirland und Luxemburg ab September qualifizieren muss – und auch wird.
Eine Pflichtaufgabe, bei der das DFB-Team nichts gewinnen, nur etwas verlieren kann. Keine Festspiele, schnöder Alltag. Nagelsmann weiß das. Also baut er vor und warnt – drei Monate, bevor sich die DFB-Auswahl das nächste Mal trifft. "Wir dürfen in der Qualifikation, wenn wir nicht die absoluten Top-Top-Top-Teams vor der Brust haben, keinen Schritt weniger gehen, weil es da auch um die Entwicklung geht. Wenn wir an einem großen Wurf schnuppern wollen – und das wollen wir – dann müssen wir jedes Spiel nutzen."
Die WM-Qualifikation als Durchgangsstation. Nagelsmanns Einordnung: "Unsere Aufgabe ist es, durchzumarschieren, um uns eine Stärke zu geben für das kommende Länderspieljahr 2026. Denn wir haben sehr, sehr wenige Spiele bis zur WM." Und vor Beginn des Turniers nur Freundschaftsspiele.
Das Problem: Wenn es das nächste Mal wirklich ernst wird, dürfte die WM im Sommer 2026 – die Qualifikation vorausgesetzt – schon begonnen haben. Aufgrund des aufgeblähten Formats mit 48 Nationen womöglich erst ab der K.-o.-Runde. Und da kann bekanntlich sehr schnell, sehr abrupt Schluss sein, wenn man einen schlechten Tag erwischt.