Der Blick in die Röhre: Noch nie war Fußballschauen so kompliziert
München - Mal ehrlich - kennen Sie sich noch aus, auf welchem Kanal das Spiel Ihrer Mannschaft läuft? Auf Sky, DAZN, RTL, ARD, ZDF, Amazon Prime, MagentaSport oder den Dritten? Alleine im Fußball gibt es eine gute Handvoll Anbieter, oft zahlungspflichtig. Waldemar Hartmann sagt deswegen: "Ich habe den Durchblick nur dann, wenn ich auf meinen Kontoauszug schaue." Dem Sportkommentator ist die Zerstückelung der TV-Rechte ein Dorn im Auge. "Nicht, dass du auch noch drei Fernbedienungen brauchst. . ."
Wo laufen Bundesliga, zweite Liga und die Spiele der DFB-Elf?
Bundesliga, Zweite Liga, Dritte Liga, Pokal, drei europäische Wettbewerbe, Nationalmannschaft - fast überall gibt es mehrere TV-Anbieter. "Es gibt viele verschiedene Formate, so kommt viel Geld in den Fußball", meint Helen Breit. Sie sitzt der Fanvereinigung "Unsere Kurve" vor, die nach eigenen Angaben eine sechsstellige Zahl Fans vertritt (darunter der Club Nr. 12 des FC Bayern) und sich in erster Linie für den Stadionbesuch stark macht. Für Breit steht fest: "Wir wollen nicht noch mehr Spieltagszerstückelung." Dem Rechtegeschacher ist ihre Vereinigung darum schon beim ersten Kontakt negativ gegenüber gestanden. "Die Fans stehen am Ende der Nahrungskette", sagt sie.
Verschiedene TV-Anbieter sind herausfordernd und kostspielig
"Es ist schon sehr herausfordernd, wenn man vier verschiedene Accounts braucht - und das ist auch sehr kostspielig", meint Breit. Sie begleitet ihren SC Freiburg auch zu Auswärtsspielen. Andere Vielfahrer in der Liga hätten durch Corona die "Routine verloren". Für diese bleibt: das Schauen über die Mattscheibe.
Hartmann, der als Sportkommentator die Medienseite bestens kennt, kritisiert: "Ich setze Ihnen mal einen Floh ins Ohr: Zählen's einfach mal mit, wie oft das Wort 'unfassbar' vorkommt. Die Produkte werden aufgehübscht, weil sie so teuer sind."
Waldemar Hartmann versteht das Streben nach Geld
Hartmann versteht das Streben nach Geld und die freie Marktwirtschaft, geißelt aber die "Geschäftemacherei" und das "aufgeblähte Produkt Fußball", das zu Ideen wie der Super League beitrage. Die neue Conference League sei eine "Schwammerl-Liga", die Liga für die Verlierer der Verlierer. "Das ist eine Farce, was da geschieht. Trotzdem kauft jemand die Rechte."
Hartmann: Überfütterung ist eingetreten
Weil Fußball sich verkauft. Doch nun sieht Hartmann bei den Fans eine "Müdigkeit. Durch die Inflation ist eine Überfütterung eingetreten. Dazu kommt, dass sich der Fußball selbst beschädigt." Barças Schulden nennt er, PSG und das Financial Fairplay - "und wenn sich Spieler Friseure einfliegen lassen und dann aussehen, als wäre der Friseur aus Nordkorea gewesen, ist es vorbei." Auch ein bekannter Ex-Nationalspieler winke beim Thema Geld ab.
"Krasse Erlöse" für Vereine dank Wettbewerb der Anbieter
Der Wettbewerb der Anbieter um die TV-Rechte bringt den Vereinen "krasse Erlöse", meint Breit. Allein für die Bundesligarechte fließen derzeit jährlich 1,1 Milliarden Euro. "Aus Vereinssicht ist das erfreulich. Aus Fansicht kann man das kritisch sehen: Die kommerzielle Spirale dreht sich immer weiter nach oben."
Die Fan-Funktionärin selbst hat kein TV-Abo, in ihrem Bekanntenkreis hält sich das Verhältnis Bezieher und Nicht-Bezieher die Waage. Einige würden Pay-TV "aus Idealismus ablehnen. Etwa, weil ich lange gegen Spieltagszerstückelung protestiert habe und für Samstag, 15.30 Uhr stehe."
"Habe mich lange geweigert, DAZN zu abonnieren"
Doch den Sirenenrufen des Fußballs zu widerstehen, fällt vielen schwer. Auch Hartmann hat das an sich festgestellt: "Ich habe mich lange geweigert, DAZN zu abonnieren. Jetzt haben sie aber doch alle Sonntagsspiele der Bundesliga und vielleicht läuft dann das Spiel, das ich sehen will." Wie früher bei Premiere der Slogan "Keine Werbung" das Lockmittel gewesen sei, seien es nun die Gratismonate. Dann bleibe man dabei.
Hartmann hat fast alle Abos abgeschlossen. Mit mehr oder weniger Grummeln. Sie gehen ins Geld. Wie viel es ihn genau kostet, sagt Hartmann, wolle er "gar nicht wissen. Sonst gehe ich an den Laptop und bestelle es ab."
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