Der bessere Klinsi?

In Sachen Popularität hat Bundestrainer Löw seinen Ex-Boss überholt. Experte warnt den Bayern-Coach: „Sein Mythos steht auf dem Spiel“
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Mag es elegant: Die schwarze Kleidung ist zu einem Markenzeichen von Joachim Löw geworden.
dpa Mag es elegant: Die schwarze Kleidung ist zu einem Markenzeichen von Joachim Löw geworden.

In Sachen Popularität hat Bundestrainer Löw seinen Ex-Boss überholt. Experte warnt den Bayern-Coach: „Sein Mythos steht auf dem Spiel“

DÜSSELDORF Ob Jürgen Klinsmann bereut, dass er Regisseur Sönke Wortmann das Projekt „WM 2006“ filmen ließ? Spätestens nach dessen Dokumentarfilm „Sommermärchen“ denken Millionen Fans, dass nicht der heutige Bayern-Trainer den DFB zu neuen Höhen geführt hat, sondern sein damaliger Assistent. Clevere Taktik, klare Vorgaben, intelligente Analysen, sogar die schicken Anzüge – zumindest im Film war all dies das Werk von Jogi Löw, während Klinsmann, der zwar alles in die Wege geleitet hatte, nur als lautstarker Einpeitscher rüberkam.

Ein Eindruck, der sich angesichts der aktuellen Situation beider Coaches verstärkt: Bayern-Trainer Klinsmann (44), der große Reformer, dümpelt bei seinem Vereinsdebüt auf Bundesliga-Rang elf. Bundestrainer Löw (48) geht, nach Rang zwei bei der EM, als Tabellenführer in die WM-Qualifikationsspiele gegen Russland am Samstag (20.45 Uhr, ARD live) und Wales am Mittwoch (20.45 Uhr, ZDF live).

Ist Löw am Ende der bessere Klinsi? Die AZ vergleicht.

POPULARITÄT

Der schwarzhaarige Badener ist längst mehr als der ehemalige Stichwortgeber. „Löw ist eindeutig aus Klinsmanns Schatten getreten. In allen Beliebtheitsrankings ist er immer ganz vorne mit dabei“, sagt Vermarktungsexperte Hartmut Zastrow, Geschäftsleiter der Kölner Agentur „SPORT+MARKT AG“. Hat Löw Klinsmann den Rang abgelaufen? „Es handelt sich um völlig unterschiedliche Typen. Klinsmann hat noch immer eine enorme Popularität, aber er polarisiert eben enorm. Zu ihm hat jeder eine Meinung, das ist wie beim FC Bayern – deshalb passen beide gut zusammen. Löw eckt nie an, er ist Everybody’s Darling.“

FAN-AKZEPTANZ

Vor gut zwei Jahren hatten Hunderttausende Klinsmann vor dem Brandenburger Tor bekniet, beim DFB als Chefcoach weiterzumachen. Löw stand damals nur bescheiden daneben. Nun musste sich der frühere Bundestrainer, nach dem peinlichen 3:3 seiner Bayern gegen Bochum, erstmals „Klinsmann raus!“-Rufe gefallen lassen. Zastrow jedoch sieht dessen Akzeptanz insgesamt nicht gefährdet. „Die Wahrnehmung der Person Klinsmann ist ohnehin geteilt. Es gibt jene Kritiker à la Neururer, die schimpfen, dass er der bestbezahlte Lehrling der Welt ist. Aber dennoch stellen wir fest, dass es unwahrscheinlich viele Menschen gibt, auch Fans anderer Vereine, die an ihn glauben – vor allem jüngere, klügere und intellektuellere. Sie denken, dass er es ist, der den deutschen Vereinsfußball wieder nach vorne bringt.“

KARRIERECHANCEN

Löw, der sich nur inklusive der WM 2010 an den DFB gebunden hat, stehen danach, bei einem erfolgreichen Abschneiden, alle Türen offen – national und international. „Ich werde irgendwann wieder bei einem Verein arbeiten“, ließ er im April wissen. Klinsmann hingegen befindet sich in der entscheidenden Phase seiner Karriere als Klubtrainer. Zastrow: „Wenn er es beim FC Bayern schafft, ist er der Größte, einer für Real, Juve und Co. Schafft er es nicht, kann er eigentlich zurück nach Kalifornien gehen.“

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Zwar habe der aktuelle Bundestrainer mittlerweile ein eigenes Profil, aber eines „ohne Ecken und Kanten“. Zastrow: „Löw ist volksnah, er hat etwas Harmonisierendes.“ Klinsmann hingegen gilt als der größte, konsequenteste Reformer im deutschen Fußball. „Er ist der auf Erfolg gepolte amerikanische Sunnyboy“, so Zastrow, „und wird deshalb auch am Erfolg gemessen. Wenn er nach der Winterpause mit seiner Philosophie, mit seinem eigenen Trainerteam noch keinen Erfolg hat, wird es eng. Dann steht sein Mythos als Sommermärchen-Trainer auf dem Spiel. Dies könnte dazu führen, dass Löw als Macher des Erfolges von 2006 wahrgenommen wird.“

SPORTLICHE KOMPETENZ

Bis dato liegt Löw hier vorne. Taktische Wirbeleien – Klinsmanns Systemwechsel von 3-5-2 zu 4–4-2 – gibt’s beim Bundes-Jogi nicht: zwei Stürmer, zwei Viererketten, fertig.

DURCHSETZUGSVERMÖGEN

Der Punkt geht an Klinsmann. Bis heute profitiert Löw von dessen Reformen, zum Beispiel den US-Fitnesstrainern und Teammanager Bierhoff als medialem Prellbock. Beim FC Bayern erfüllten die Bosse Klinsmann jeden Wunsch: den millionenschweren Umbau des Vereinsgebäudes zum Leistungszentrum, acht Trainer und Teammanger Christian Nerlinger als Unterstützung.

Jochen Schlosser

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