Daum wieder vor dem Abflug?

Frankfurts neuer Coach sagt, die Eintracht gehöre nicht zu seinem „Beuteschema“.
von  Frank Hellmann

Frankfurt - Die stählernen Absperrgitter an der asphaltierten Verbindung zwischen Bahnweg und Otto-Fleck-Schneise sind neu. Und die blickdichten Planen rund um den Trainingsplatz an der Wintersporthalle auch. Und damit keiner auf dumme Gedanken kommt, haben sich böse schauende Security-Leute mit schwarzer Weste auf allen erhöhten Positionen rund um die Frankfurter Arena postiert, die einen Blick auf das Übungsareal der Frankfurter Eintracht gewähren könnten.

Die Abschottung hat Christoph Daum veranlasst. Vor dem Heimdebüt gegen Werder Bremen am Freitag wird der 57-Jährige bei dieser Thematik grundsätzlich, denn er versteht nicht, dass deutsche Profiklubs immer noch Tür und Tor zur Übungsstunde öffnen. „Bei 80 von 120 Vereinen in Europa gibt es kein öffentliches Training mehr. Ich kann Spieler anders kritisieren, es ist eine ganz andere Atmosphäre." Selbst schuld seien die gegnerischen Klubs, die sich nicht verschanzen: Daum hat alle Einheiten erst in Wolfsburg und nun in Bremen beobachten lassen, „das ist Professionalität."

Es gibt keinen anderen in der Liga, der Pressekonferenzen so geschickt zum Vortrag in eigener Sache umfunktioniert wie Daum. Die Fragestunde mit dem in feinem Anzug und grau-blau-orangefarbenen Schlips erschienenen Fußballlehrer fand ausnahmsweise im Eintracht-Museum statt; einer Erinnerungsstätte an eine glorreiche Vereinsgeschichte. Doch in nostalgischen Erinnerungen will Daum nicht schwelgen. „Tradition muss ein Sprungbrett sein - und nie ein Ruhekissen.“

Der vorerst nur bis Saisonende gebundene Retter hält sich selbst alle Optionen offen – wie anders sind Ausschweifungen zu verstehen, als Daum darüber fabulierte, Frankfurt sei ein Verein, „den ich eigentlich nicht im Beuteschema hatte.“ Und überhaupt denke er ja „in anderen Kategorien“, in jenen, „die sich zur Champions League orientieren“. Wie zum Beleg fielen in seinen Ausführungen irgendwann die Namen José Mourinho und Sir Alex Ferguson – so als seien dies Duzfreunde vom Nachbarklub.

Dabei hat Daum dummerweise unter der Woche gerade Historisches aus der Königsklasse glatt verschlafen – beim Schalke-Spiel ist er zur Halbzeit im Hotelzimmer eingeschlummert. Das Wunder von Mailand habe er erst mitbekommen, als er gegen halb fünf Uhr früh vorm Fernseher aufgewacht sei, „dann habe ich meinen Augen und Ohren nicht getraut."
Die Anekdote soll helfen, seinen Arbeitseinsatz zu kennzeichnen.

Mit viel Pathos beschrieb der Vollgas-Rhetoriker, dass die Saison für die Hessen „bis zur letzten Sekunde ein Tanz auf der Rasierklinge“ werde. Das wahre Potenzial seiner Profis kenne er aber nicht, gibt er zu. Das von Vorgänger Michael Skibbe ausgegebene Ziel von 50 Punkten? Daum zog die Augenbrauen hoch, als habe er einen schlechten Witz gehört. „Das ist ein sehr hoher Anspruch." Lieber fabulierte er darüber, dass er Blockaden gelöst habe, „das dritte Bein hat uns in Wolfsburg in 15, 20 Situationen geholfen." Eine Anspielung auf seine Aussage bei Amtsantritt, der Kopf sei das dritte Bein.

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