Christina Graf: "Auch mal die Klappe halten!"
AZ: Frau Graf, wie oft haben Sie schlecht geschlafen und geträumt, heiser zu sein?
CHRISTINA GRAF: Solche Albträume hatte ich Gott sei Dank nicht. Vergangene Woche bekam ich plötzlich eine Grippe. Sie ist gerade wieder rechtzeitig verflogen.
Am Sonntag geben Sie bei Sky Ihr Debüt als erste weibliche Bundesliga-Kommentatorin im deutschen Fernsehen. Ihr Einsatz ist das Zweitliga-Spiel Regensburg gegen Hertha. Welcher Name bereitet Ihnen die meisten Magenschmerzen?
(lacht) Ganz klar Franciszek Smuda (Regensburgs neuer Trainer, d. Red.). Ich habe mir überlegt: Ich werde ihn einfach Franz nennen. Natürlich nur, wenn er damit einverstanden ist. Das kläre ich vor dem Spiel mit ihm.
Sie haben sich beim Casting gegen mehr als 1200 Bewerberinnen durchgesetzt. Warum hat es bis 2013 gedauert, ehe eine Frau ein Spiel im Fernsehen live kommentieren darf?
Darüber hatte ich mir vorher nie Gedanken gemacht. Aber es wurde Zeit! Es gibt auch keinen Grund, warum nicht auch eine Frau Fußballspiele kommentieren sollte.
Werden Sie während des Spiels informiert sein, wie viele Zuschauer Sie haben?
Ganz ehrlich? Das will ich in dem Moment gar nicht wissen! Es reicht ja schon, dass ich weiß, dass meine Familie und meine Freunde zusehen (lacht). Ich denke, dass es viele geben wird, die mal für fünf oder zehn Minuten reinzappen, um zu gucken: Na, wie schlägt sie sich?
Wer ist Ihr härtester Kritiker?
Das bin definitiv ich selbst. Aber kurz danach kommt auch schon meine Mama. Ich weiß, dass es viel Kritik geben wird, auch von außerhalb, aber das ist okay. Ich weiß noch nicht, ob ich mir das Spiel nochmal anschauen werde. Kollege Kai Dittmann hat mir geraten: „Hör dir einfach nur das Positive an.”
Sie waren Profifußballerin, spielten für Bad Neuenahr und Heike Rheine. Spüren Sie trotzdem Vorurteile? Getreu dem Motto: Die hat doch eh keine Ahnung?
Wenn ich in einer Kneipe Fußball schaue und mich mit drei, vier Männern unterhalte, dann werde ich häufig schon komisch angeguckt. Da merke ich: So richtig ernst nehmen die mich nicht. Wenn sie dann hören, dass ich selbst in der Bundesliga gespielt habe, kippt das meist. Das ist auch jetzt mein Ziel als TV-Kommentatorin: Ernst genommen zu werden! Bei Jessica Kastrop ging das auch nicht von heute auf morgen. Heute ist sie voll akzeptiert. Ich kann kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Aber ich kann auch nur alle bitten: Gebt mir ein bisschen Zeit.
Lange kommentierten Sie Live-Spiele für Radio Siegen.
Das ist etwas völlig anderes. Im Fernsehen muss man auch mal die Klappe halten und darf nicht alles, das man sieht, beschreiben. Die Zuschauer sehen es ja auch.
Was muss passieren, damit Sie am Sonntagabend ins Bett gehen und sagen: „Perfekt!”
Wenn der Flieger sicher in Köln landet und wenn ich sagen kann, dass ich fachlich keinen Fehler gemacht habe, ist alles gut. Versprecher passieren mal, das ist normal. Ein fachlicher Fehler wäre blöd.
In Deutschland gibt es aktuell eine Sexismus-Debatte, Stichwort Rainer Brüderle. Welche Erfahrungen haben Sie im Fußball gemacht?
Das ist überhaupt kein Thema für mich. Erstens habe ich diese Erfahrungen noch nie gemacht. Und wenn mir einer mal einen Spruch drückt, kann ich darüber hinwegsehen.
Wie dürfen wir uns Christina Graf privat vorstellen?
Ganz lustig.
Ihr Lieblingsfußballwitz?
Über Fußball macht man doch keine Witze (lacht).
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