Cacau: „Als Vorbild voran“
Nationalstürmer Cacau, aus Brasilien stammend, ist Integrationsbotschafter der DFB-Elf. Hier erklärt er, wie er in Deutschland heimisch wurde – und was ihn ärgert.
AZ: Cacau, das Klagen hört nicht auf, beim DFB ist man aber gewillt die Nachwehen der WM in Südafrika nicht mehr als Grund für mangelnde körperliche Fitness und geistige Frische heranzuziehen. Dennoch: Warum ist eine Saison nach einem großen Turnier so schwierig?
CACAU: Die vorherige Saison ging länger, man hatte weniger Zeit, sich zu erholen und sich einzuspielen. Dann muss man schnell in den Alltag zurückfinden, aber ohne die gewohnte Vorbereitung und Basis, die man sonst hat. Das soll kein Alibi sein. Aber es muss jedem bewusst sein, dass man mehr Geduld braucht.
Die Bayern-Profis haben Schwierigkeiten, Schalke, Werder, Ihr VfB Stuttgart steht ganz unten am Tabellenende. Beinahe alle Nationalspieler leiden in der Liga.
Unsere Situation beim VfB ist wirklich sehr schwierig. Wir sind uns alle einig, dass es so nicht weitergeht. In der Bundesliga zu bleiben, muss derzeit unser Ziel sein. Wir alle gemeinsam müssen unsere Kräfte bündeln. Jedem muss bewusst sein, dass wir so nicht weiterspielen können.
Da dient die Nationalelf doch als Oase, als Ort der Entspannung. Rund um das EM-Qualifikationsspiel in Berlin gegen die Türkei dreht sich alles um Mesut Özil – dabei sind Sie doch der einzig wahre Türkei-Experte. Schließlich haben Sie vor zehn Jahren bei Ihrer ersten Station in Deutschland nach der Ankunft aus Ihrer Heimat Brasilien bei Türk Gücü München angefangen.
Das kann man so sagen. Ich kenne die türkische Mentalität, die Freude, den Ehrgeiz und die Motivation.
Was ist das Besondere an der türkischen Mentalität?
Was sie ausmacht, ist ihr Stolz. Daraus entsteht der Wille, jedes Spiel zu gewinnen – ganz besonders gegen Deutschland. Sie wollen zeigen, dass sie die Besten sind. Ich wurde jedenfalls sehr herzlich empfangen. Obwohl ich weder deutsch noch türkisch konnte, hat der Verein alles versucht, damit ich mich wohl fühlte.
Sie sind seit kurzem einer der Integrationsbotschafter des DFB. Wie wollen Sie diese Rolle interpretieren?
Ich muss als Vorbild vorangehen. Ich habe sehr viel erlebt in Deutschland, musste alleine zurecht kommen, die neue Sprache von Grund auf erlernen. Dazu musste ich mich in meinem Beruf durchsetzen. Das sind alles Dinge, mit denen ein Migrant zu kämpfen hat. Vielleicht kann ich da gute Tipps liefern, wie man solche Probleme bewältigen kann.
Robert Enke war einer Ihrer Vorgänger als Integrationsbotschafter. In gut einem Monat jährt sich sein Todestag. Wie viele der guten Vorsätze, die nach seinem Freitod proklamiert wurden, sind bis heute geblieben?
Leider nicht viel. Ich hätte mir gewünscht, dass die Menschen ihr Handeln mehr überdenken. Dass man diese Tragödie nutzt, um vieles besser zu machen. Aber nach einem oder zwei Monaten war das Thema mehr oder weniger vergessen.
Robert Enke hat sich sehr positiv über seinen direkten Konkurrenten Rene Adler geäußert, der die Rituale des Geschäfts auf gewisse Weise auch ablehnt. Sind Sie auch jemand, der rücksichtsvoller mit anderen umgeht?
Es geht sehr wohl, dass man miteinander sehr gut auskommt, obwohl man Konkurrent für eine Position ist.
Nach Ihrer Einbürgerung haben Sie den sehr deutschen Beinamen Helmut verpasst bekommen. Helmut heißt im Altdeutschen „Der Mutige“. Wie viel Mut hat es erfordert, mit 18 Jahren in einem fremden Land eine neue Herausforderung zu suchen?
Ich habe gar nicht groß darüber nachgedacht. Ich bin einfach gegangen. Entscheidend war unter anderem meine Mutter, die mich darin bestärkt hat, es zu versuchen. Im Rückblick muss man aber schon sagen, dass es sehr verrückt und abenteuerlich war. Aber wie sagt mein Trainer Christian Gross immer: „Die Welt gehört den Mutigen!“
Interview: Patrick Strasser