Breitner: Stoppt die Tröten!

Die Debatte um nervige Vuvuzelas wird schärfer. Die Fifa denkt bereits über ein Verbot nach. Ein Weltmeister von 1974 würde das sehr begrüßen.
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Machen viel Lärm - und auch viel Ärger: Die Vuvuzelas sorgen für große Diskussionen.
AP Machen viel Lärm - und auch viel Ärger: Die Vuvuzelas sorgen für große Diskussionen.

Die Debatte um nervige Vuvuzelas wird schärfer. Die Fifa denkt bereits über ein Verbot nach. Ein Weltmeister von 1974 würde das sehr begrüßen.

Es muss auch Südafrikaner geben, denen das Gedröhne der Vuvuzelas auf die Nerven geht. In Kapstadt jedenfalls ist die wirksamste Gegenmaßname, ein Ohrstöpsel mit dem Namen „Vuvu-Stop“ (bewirkt eine Drittelung des Pegels auf 90 Dezibel), ausverkauft. „Mein Vorrat ist aufgebraucht“, sagt ein Händler, „ich habe tausend Stück nachbestellt“.

In Deutschland, so scheint es, hat nur Uwe Seeler den Schuss noch nicht gehört. Der DFB-Ehrenspielführer ist 73 und freut sich wie ein kleines Kind darüber, dass Vuvuzela so ähnlich klingt wie „Uweseela“. „Ich habe schon gehört, dass man meinen Namen oft mit der WM-Tröte verwechselt“, sagt er, „das ist lustig“.

Andere machen sich ernsthaft Sorgen um ihre Ohren. Hörgerätehersteller weisen darauf hin, dass bei einem von Vuvuzelas verursachten Hörschaden die private Unfallversicherung zahle. „Der Schaden durch Schallwellen fällt in vollem Umfang unter den Unfallbegriff. Einen Ausschluss sehen die Bedingungen nicht vor“, sagt Versicherungsberater Rüdiger Falken.

Auf www.vuvuzelas.org haben bereits 200000 die Onlinepetition „gegen Vuvuzelas – pro Stimmung!“ unterschrieben. „Das sind Elefantenfürze, wie ein Hornissen-Nest – sofort verbieten", sagt Initiator Bastian Frölig. „Das hat mit Fankultur nichts zu tun.“

Hat es doch – meint der Weltfußballverband Fifa. „Ein Verbot der Tröten käme einer Diskriminierung gleich“, hatte Fifa-Boss Sepp Blatter vor WM-Beginn gesagt. Dem pflichtet auch DFB-Präsident Theo Zwanziger bei: „Das Turnier findet nun einmal in Südafrika statt, und da muss man sich anpassen. Hier gehören die Vuvuzuelas zum Fußball wie bei uns die Schlachtgesänge der Fans.“

Bloß, dass diese im Plastiktröten-Gedröhne völlig untergehen. „Damit brüskiert man alle Fans, die ihre Mannschaft vor Ort unterstützen wollen“, sagt Paul Breitner. „Eine WM soll doch ein Fest für die Fans sein. Aber wenn du die Gesänge nicht mehr hörst – wo bleibt dann der Fan?“

Der Weltmeister von 1974 fand in „Breitners WM-Studio“ im Karstadt am Bahnhofsplatz gewohnt deutliche Worte. „Absolut unfair, ungeheuerlich, geradezu unwürdig“ sei der Einsatz der Vuvuzelas, er sprach sogar von einer Wettbewerbsverzerrung: „Der Fußball auf höchstem Niveau lebt davon, dass schwierige Bälle gespielt werden, ohne dass du den Mitspieler siehst – sondern weil du zwei, drei Kommandos hörst. Das blinde Verständnis, das blinde Zuspiel ist nichts anderes als ein Zuspiel auf Kommando. Jetzt klappt das aber nicht mehr, weil die Spieler nichts hören – das hat enormen Einfluss auf das Spielgeschenen. Das ist den Spielern gegenüber eine Frechheit.“

Breitner wirft der Fifa vor, das Thema aus falscher Rücksichtnahme gegenüber den südafrikanischen Gastgebern unterschätzt zu haben. „Der Blatter argumentiert ja mit dem Verständnis für andere Kulturen. Bei mir hört da das Verständnis auf, wo die Unfairness beginnt.“

Bei den Fernseh-Anstalten häufen sich die Beschwerden über die als Bienenschwarm-Volldröhung empfundene Vuvuzala-Dauerbelästigung. ARD und ZDF haben reagiert. Folge: Die Kommentatoren können ihre Headsets abnehmen, sie müssen jetzt in die alten so genannten Lippenmikrophone sprechen. „Die fangen weniger von den Außengeräuschen ein“, erklärt ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. „Ansonsten können wir wenig machen. Der einzige Punkt wäre, die Tröte zu verbieten.“

Und genau daran denkt die Fifa jetzt offenbar doch: „Wenn es Gründe dafür gibt, müssen wir uns damit beschäftigen“, sagte WM-OK-Chef Danny Jordaan der BBC. „Und wir werden handeln, wenn die Vuvuzelas auf dem Rasen landen.“

Bis es soweit ist, bleiben nur Hausmittel gegen die „Trompeten des Teufels“, wie die spanische Zeitung „El Pais“ die Vuvuzelas nennt. Hollands Nationaltrainer Bert van Marweijk hat bei den Trainingseinheiten seiner Mannschaft ein Vuvuzela-Verbot gegenüber den Fans ausgesprochen. Dänemarks Trainer Morten Olsen (60) macht sich’s noch leichter: „Ich ziehe einfach die Stöpsel von meinen beiden Hörapparaten raus.“ Gunnar Jans

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