Brasilien vor der WM: Immer mit der Ruhe!

Am Donnerstag beginnt die WM in Brasilien. Doch wer glaubt, dass die Arbeiten im Eröffnungsstadion fertig sind, irrt. Und auch sonst gibt es Probleme.
von  AZ
Das Stadion in Sao Paulo ist noch nicht komplett fertig. Bis zum Schluss wird gearbeitet.
Das Stadion in Sao Paulo ist noch nicht komplett fertig. Bis zum Schluss wird gearbeitet. © dpa

Rio de Janeiro - Brasiliens Sportminister Aldo Rebelo hat in den letzten Monaten wohl eine rekordverdächtige Anzahl von Flugmeilen gesammelt. Unermüdlich tourte er durch die zwölf Spielorte, hetzte von einem Meeting zum anderen. Der Mann muss Kondition haben. Er sieht Brasilien einen Tag vor dem Anpfiff auf der Zielgeraden, und auch er wiederholt das offizielle Regierungs-Mantra: "Es wird die Weltmeisterschaft der Weltmeisterschaften." Nur die Brasilianer müssen noch in WM-Stimmung kommen.

Die Arbeiten im Eröffnungsstadion, der Arena Corinthians, in São Paulo, sind immer noch nicht 100-prozentig abgeschlossen. 300 Arbeiter schuften rund um die Uhr. Aber die Installation der temporären Tribünen für die zusätzlichen 20 000 Sitze sind in der Abschlussphase, versicherte der Minister und fügte hinzu: "Ich sehe keinerlei Risiko, keine Möglichkeit, dass eins der zwölf WM-Stadien seine Funktion nicht erfüllt, wenn die Stunde gekommen ist." Dass alles erst auf den letzten Drücker geschieht, ist mittlerweile bekannt. Über die eigentliche Abgabefrist auch für das Eröffnungsstadion redet schon lange niemand mehr. Die lief Ende Dezember 2013 ab.

Die derzeit mächtig erkältete Präsidentin Dilma Rousseff will von schlechter Stimmung nichts wissen. Sie sprach erst vorige Woche von einer "systematischen Kampagne gegen die WM" und versucht im Gegenzug die unterkühlte Stimmung im Land mit eindringlichen Worten aufzufangen. "Für uns ist Fußball ein Fest des Lebens. Die Liebe unseres Volkes für diesen Sport hat sich in ein Charakteristikum unserer nationalen Identität verwandelt", schrieb sie in einem Artikel. "Auf dem Spielfeld und außerhalb werden wir vereint sein und eine große Veranstaltung bieten." Der Hauptslogan der WM-Gegner war in den vergangenen Monaten "Não vai ter Copa" (Es wird keine WM geben). Das dürfte als widerlegt gelten. Ob sich aber die Proteste erledigt haben, darf bezweifelt werden. Vor allem die Bewegung obdachloser Arbeiter kündigte Demonstrationen an.

Weitere Streiks sind wahrscheinlich. In São Paulo waren die U-Bahnfahrer fünf Tage im Ausstand und die Schlichtungsgespräche gestalten sich als schwierig. Der Ausstand könnte am Donnerstag wieder aufgenommen werden, dann droht trotz des deklarierten Feiertages ein neuerliches Verkehrschaos. Doch nicht nur die U-Bahnfahrer streiken. In Rio und São Paulo sind viele Lehrer seit Wochen im Ausstand. Auch viele Museumsangestellten am Zuckerhut legten die Arbeit nieder.

Es könnte eine zweigeteilte WM werden. Denn andererseits verstehen es die karnevalbegeisterten Brasilianer zu feiern. In der Finalstadt Rio sind inzwischen viele Straßenzüge über und über mit Girlanden und Wimpeln geschmückt. Bleibt die Frage, was am Ende überwiegt: Das „einerseits“. Oder das „andererseits“.



 

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