Brasilien-Legende Socrates verstorben
Die brasilianische Fußball-Legende Socrates starb mit 57 - am Alkohol. Socrates galt als einer der brilliantesten Spieler der brasilianischen Seleção.
SÃO PAULO Er sah nicht gut aus, schon lange nicht mehr. Gezeichnet vom Alkohol und vom höchst ungesunden Leben nach seiner Zeit als einer der besten Fußballer des Planeten. Viele Jahre ist das her, und nun ist auch die Zeit des todkranken Sampaio de Souza Vieira de Oliveira, genannt Socrates, endgültig abgelaufen. Der brasilianische Ex-Star Sócrates ist am Sonntag im Alter von 57 Jahren an den Folgen eines septischen Schocks nach einer Darminfektion gestorben. Brasilien trägt Trauer.
Sócrates, den die Fans wegen seiner Mediziner-Ausbildung „Doutor” nannten, war bereits im August und September zweimal ins Krankenhaus gebracht worden. Damals hatten die Ärzte innere Blutungen und eine Leberzirrhose wegen übermäßigen Alkoholkonsums festgestellt. Zuletzt wurde im künstlichen Koma gehalten und mit Geräten beatmet, kam am Donnerstag auf die Intensivstation des Albert-Einstein-Hospitals in São Paulo. Am Samstag hatte ihm sein Ex-Klub Corinthians mit dem Spruch „Força, Doutor!” (Kraft, Doktor!) Mut gemacht. Der Zuspruch kam zu spät.
Nach der Todesnachricht herrschte bei Corinthians tiefe Trauer. „Danke für die schönen Tore, die genialen Pässe, für den meisterhaften Fußball, den nur Sócrates so konnte. Obrigado, Doutor! (Danke Doktor)”, schrieb der Club auf seiner Internetseite. Sócrates sollte am Sonntag um 17 Uhr auf dem Friedhof „Guter Hirte” in Ribeirão Preto rund 320 Kilometer nordwestlich São Paulos beigesetzt werden. In Brasilien müssen Verstorbene binnen 24 Stunden beerdigt werden.
Sócrates galt als einer der brillantesten Spieler der Geschichte der brasilianischen Seleção, wurde 1983 „Fußballer des Jahres” in Südamerika und war einer der Stars bei den Weltmeisterschaften 1982 in Spanien und 1986 in Mexiko. Der 1,92 Meter große Spielmacher war auch Kapitän der Nationalelf, für die er innerhalb von sieben Jahren 63 Länderspiele bestritt und dabei 25 Tore erzielte. In seiner Heimat stand er bei Flamengo (Rio de Janeiro) und den Corinthians in São Paulo unter Vertrag. Für Corinthians stand er 297 Mal auf dem Platz und schoss 172 Tore.
Socrates war das „enfant terrible” des brasilianischen Fußballs, liebte Absatzkicks und das lockere Leben, trank reichlich Bier, rauchte nach eigenen Angaben mehr als 20 Zigaretten am Tag und verzichtete lieber aufs Training. Die Frage, ob dies für einen Athleten angemessen sei, konterte er stets mit einem Lächeln und der Antwort: „Ich bin kein Athlet. Ich bin Fußball-Künstler.” Zum traurigen Schluss seiner Karriere lief er 50-jährig in der neunten englischen Liga beim Amateurverein Garforth Town mit einem Einmonatsvertrag auf.
Bei Corinthians setzte er basisdemokratische Entscheidungen (Democracia Corinthiana) der Spieler durch, die fortan alles bestimmten, von den Trainingszeiten bis zur Auswahl des Essens. Er rief die Fans dazu auf, sich gegen die Militärdiktatur und für die Demokratie zu engagieren.
Bevor er seine Karriere als Profi-Fußballer begann, studierte er Medizin und verpasste deshalb auch die Teilnahme an der WM 1978 in Argentinien. Nach seiner aktiven Zeit als Fußballer arbeitete er als Arzt in einem Krankenhaus und tat sich, wie sein ehemaliger Teamkamerad Zico, als kritischer Beobachter des Fußballs hervor. Immer wieder setzte er sich für Reformen des Spiels ein, zum Beispiel Torkameras oder mehrere Schiedsrichter. Auch nur noch mit neun Feldspielern zu spielen, propagierte er als eine mögliche Lösung, um die Spiele wieder attraktiver zu machen.
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