Berti Vogts: Schläger-Attacke nur erfunden

Schwerer Stand für Provokateur Berti Vogts – Der gewalttätige Überfall entpuppte sich als herber Scherz.
von  Gregor Derichs

Schwerer Stand für Provokateur Berti Vogts – Gewalttätiger Überfall entpuppte sich als herber Scherz.

Baku - Manchmal geht mit Berti Vogts der Gaul durch. Dann will der alte Bundes-Berti richtig lustig sein. Der Mann, der früher als konservativ galt, wird in diesen Momenten zum großen Provokateur. Dann entfahren ihm Sätze, die in die große Sprüchesammlung des Fußballs eingehen. „Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle sollte man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben“, erklärte er einmal, als er von 1990 bis 1998 Bundestrainer war. „Sex vor einem Spiel? Das können meine Jungs halten, wie sie wollen. Nur in der Halbzeit, da geht nichts“, sagte er knochentrocken auf einer Pressekonferenz. Etwas in dieser Art hat er sich in Baku, an seinem Arbeitsplatz 5500 Kilometer von seiner niederrheinischen Heimat Korschenbroich entfernt, am Sonntag wieder einmal geleistet.

Als Fußball-Nationaltrainer von Aserbaidschan spielt er mit den einheimischen Medien. Der 64-Jährige hatte einen Höllenspaß daran. Das 1:2 im EM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan am Freitag wurde in den Zeitungen in Baku als Blamage hingestellt. Dabei stehen die Kasachen fußballerisch auf gleicher Höhe. In den Zeitungen herrschte dennoch Weltuntergangsstimmung. Vogts stand wieder einmal im Fokus der Kritik, er kennt das, seitdem er im April das Amt annahm. Vogts mag zuweilen etwas unbedarft wirken, aber dumm ist er nicht. Er dreht den Spieß gerne um. Wie die Medien darauf reagieren, interessiert ihn.

Bei der Pressekonferenz im Stadion sagte er, er könne sofort zurücktreten. Wenn er sich beeile, würde er noch eine Stunde später einen Flug nach Istanbul bekommen. Die aserbaidschanischen Journalisten lassen nicht locker. Sie wittern die Chance, diesen zu oft besserwissenden Deutschen, der die eigenen Spieler immer klein redet, als wären es Lehrlinge auf Lebenszeit, los zu werden. Vielleicht hilft die deutsche Nationalmannschaft mit einem klaren Sieg gegen Aserbaidschan dabei, dass Vogts endlich verschwindet. Bernd Storck hat schließlich auch nach dem 0:3 gegen die Deutschen seinen Trainerjob in Kasachstan verloren. Warum nicht auch Vogts? Er betont noch einmal, leicht genervt, er klebe doch nicht an seinem Sessel. Die Presseleute applaudieren. Aber nur der Präsident könne ihn vor dem Ablauf des Vertrages im Dezember entlassen. Vogts genießt die Show, das deutsche Fernsehen ist schließlich dabei.

Der Medientermin ist zu Ende, vor der Tür nähern sich dort wartende Journalisten dem Deutschen. Was genau geschieht, wird unterschiedlich beschrieben. Ein Waschkrug, einer Gießkanne ähnelnd, und Klopapier-Rollen tragen die Männer bei sich. Der Akt besitzt eine symbolische Bedeutung, er ist ein herber Scherz, eine Demütigung. Vogts soll nassgespritzt werden, eine Klorolle streift ihn leicht. Von Gewalt, Schlägen oder Hieben keine Spur, berichten die wenigen Augenzeugen. Vogts ist ein wenig irritiert, aber nicht erschreckt. Doch wenig später erzählt er in einem Telefonat mit einem deutschen Journalisten von einem „tätlichen Angriff“. Er findet die Kurve nicht von seiner Show zuvor. Er zahlt einfach zurück, da ihm die Aserbaidschaner zusetzen. Er kann ein Dickschädel, ein Sturkopf sein. Er malt den Vorfall aus, er spricht von „bezahlten Schlägern“, gekauft von den Klubtrainern des Landes, die ständig gegen ihn agitieren.

Einer gegen alle, so fühlte er sich als deutscher Bundestrainer, so sah er sich als manchmal als Coach von Schottland und immer als Nationaltrainer Nigerias, so handelt er als auch Chefcoach von Aserbaidschan. Er lebt in Deutschland und fliegt nur alle paar Wochen ans Kaspische Meer mit Assistenztrainer Olaf Janssen und Torwarttrainer Uli Stein, immer mehrere Tage vor einem Länderspiel, um alle Vorbereitungen zu treffen, abe viel zu kurz für seine Kritiker. Dann lässt er sich 25 km vor Baku am Flughafen nieder in einem Hotel. Zwei Einheimische im Trainerstab und der Dolmetscher sorgen für die sprachliche Verbindung zu den Spielern, von denen kein einziger im Ausland spielt.

Rovnag Abdullayev, der Präsident des Aserbaidschan-Verbandes, hielt lange zu ihm, obwohl es auch ihm nicht schnell genug geht. „Sie meinen, sie könnten Weltmeister werden“, sagt Vogts. „Dabei leiste ich hier Entwicklungshilfe“. Die Prestigeerfolge gegen Russland, ein 1:1 gegen die ehemalige Hegemonialmacht, in der letzten WM-Qualifikation und das 1:0 gegen die Türkei, dem großen Vorbild der Nation, am 12. Oktober in der EM-Qualifikation halfen Vogts nicht, seinen Stellenwert bei den Medien zu verbessern. Dass er geäußert hat, das Spiel gegen Deutschland sei nicht zu gewinnen, nahmen sie ihm übel. Gestern (Montag) leitete Vogts wieder ganz normal das Training. In der Pressekonferenz der deutschen Mannschaft meldet sich sofort ein aserbaidschanischer Journalisten zu Wort und erklärt: „So einen Überfall, über den in Europa berichtet wird, hat es nicht gegeben. Wir sind kein Land der Barbaren“, erklärt er. Nur zu Vogts sind ein wenig ruppig, und Berti zahlt es ihnen heim. „Ich freue mich, am Mittwoch wieder im Flugzeug nach Hause zu sitzen“, sagt Vogts und grinst.

 

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