Beckenbauer über neuen Quali-Modus: "Lasst doch gleich alle spielen!"
Düsseldorf - Nun also auch noch Gibraltar, der Affenfelsen unter britischer Hochzeit am südlichen Zipfel Spaniens. Als 53. Mitgliedsverband in die Europäische Fußball-Union (Uefa) aufgenommen, darf der Mini-Staat mit knapp 30.000 Einwohnern mitmischen im Kampf um die Tickets für die EM 2016 in Frankreich.
Es ist die EM von Uefa-Präsident Michel Platini, also sollen möglichst viele Nationen teilnehmen dürfen - daraus ergeben sich im Gegenzug stets dankbare Wähler.
Erstmals findet die EM-Endrunde mit 24 Teams (zuvor 16) statt, nach der Gruppenphase (sechs Gruppen mit je vier Teams) geht es mit dem Achtelfinale weiter. Damit haben die Finalisten im Turnierverlauf ebenso sieben Partien zu bestreiten wie bei einer WM mit 32 Teilnehmern. So kommt eine EM künftig auch auf fünf Wochen und 51 Partien (in Brasilien waren es 64).
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Und so wird die Qualifikation für die großen Nationen zum Witz. Schließlich schafft es nun beinahe jede zweite Nation - eben 24 von 53.
"Das sind zu viele! Das ist fast die Hälfte aller Mitglieder, dann lasst doch gleich alle spielen! Dann kann man sich die Qualifikation sparen", schimpfte Franz Beckenbauer und fügte hinzu: "Ich glaube, 16 war so die richtige Zahl." Joachim Löw bezeichnete die Aufstockung als fragwürdig. "Der sportliche Wert einzelner Spiele, aber auch des gesamten Wettbewerbs sinkt", kritisierte der Bundestrainer. Und die Spannung.
Man nehme nur die deutsche Gruppe G: Von den Kontrahenten Schottland, Irland, Polen, Georgien und Neuling Gibraltar kommen zwei Mannschaften sicher nach Frankreich, selbst der Dritte kann es über die Relegation noch schaffen. Mit dem zwar mühsamen 2:1 gegen Schottland zum Auftakt in Dortmund ist der erste Schritt getan, "die drei Punkte waren das Wichtigste", sage Löw.
Aber mal ehrlich: Ist es nicht eine Witz-Qualifikation?
Der finanzielle Aspekt ist klar. Mehr Teilnehmer, größere Aufmerksamkeit, mehr Werbefläche, größere Vermarktbarkeit. Nicht nur während der Endrunde 2016 (10. Juni bis 10. Juli), schon in der Qualifikation. In den sogenannten "weeks of football", den Doppelspieltagen für Nationalteams, wird von Donnerstag bis Dienstag je zwei Mal gespielt - mit zwei Tagen Erholungspause.
Klar: Mehr TV-Präsenz und, logo: größere Vermarktbarkeit, mehr Werbefläche, größere Aufmerksamkeit. Alles eine Frage des Geldes.
Kritik kontert Uefa-Präsident Michel Platini mit bester Politiker-Rhetorik: "Wem der Modus nicht gefällt, der muss nicht mitspielen. Eine überwältigend große Mehrheit aller Mitgliedsverbände war für diese Änderung. So funktioniert Demokratie."
Andererseits: Hat der neue Qualifikationsmodus nicht auch Vorteile für Trainer von dominierenden Nationen wie Spanien, Holland oder Deutschland?
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Denn der nun nicht mehr so schwierige Weg zu einer Endrunde kann auch als Spielwiese für Experimente genutzt werden. "Es wird uns noch ein paar Monate begleiten, einige der WM-Spieler wieder in eine sehr gute Verfassung zu bringen", sagt Löw angesichts der langwierigen Verletzungen von Schweinsteiger und Khedira sowie der kurzfristigen Ausfälle von Hummels und Özil. Weil mit Lahm, Klose und Mertesacker ein erfahrenes Trio zurückgetreten ist, muss Löw auf Nachrücker setzen: "Ich muss und will einige junge Spieler, die hinten dran standen, integrieren." Was früher nur in Testspielen opportun war, geht nun auch in der Easy-Quali.
Weil künftig nur noch große - und finanziell einigermaßen potente - Nationen eine aufgeblasene EM mit 24 Teams stemmen können, kommen neben Frankreich höchstens England und Deutschland in Frage. Daher will sich der DFB mit den Briten verständigen, sich bei den Bewerbungen gegenseitig zu unterstützen.
2024 soll Deutschland dran sein, vier Jahre später England. So wird's kommen.