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AZ-Serie zu Zidanes 50.: Dort, wo Zizou der Yazid ist

AZ-Serie zum 50. Geburtstag von Fußball-Legende Zinedine Zidane. Im ersten Teil geht es über die schwierigen Anfänge von "Zizou". "Ein Jahr lang weinte ich jeden Abend leise in mein Kopfkissen."
Florian Kinast |
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Zurück zu den Anfängen: Das Dorf Pegomas ehrt den Fußball-Star, der dort 1987 gelebt hat, mit dem Zinedine-Zidane-Platz. Zu seiner Rechten Mitglieder der Familie Elineau, bei denen er damals gewohnt hat.
Zurück zu den Anfängen: Das Dorf Pegomas ehrt den Fußball-Star, der dort 1987 gelebt hat, mit dem Zinedine-Zidane-Platz. Zu seiner Rechten Mitglieder der Familie Elineau, bei denen er damals gewohnt hat. © picture-alliance/ dpa

Hin und wieder schaut Zinedine Zidane noch vorbei. Auf dem Place de la Tartane, dem Hauptplatz von La Castellane. Dort, wo er jeden Nachmittag stundenlang Fußball spielte. Mit seinen besten Kumpels, die Malek und Doudou hießen, Mohammed und Nasser. Einer sogar auch Jean-Francois. Wenn der Weltstar, der Weltmeister und Multimillionär nun also in die Heimat zurückkehrt, dann rufen sie ihn natürlich nicht Zinedine oder sagen Monsieur Zidane, dann heißt er nicht mit seinen Spitznamen Zizou oder ZZ Top.

Zinedine Zizane: Yazid, der Wachsende

Hier bei seinen Wurzeln ist er für alle immer noch Yazid, "der Wachsende". Der arabische Zweitname, den ihm seine Eltern gaben, als er heute vor 50 Jahren auf die Welt kam.

"Ich habe eine Affinität zur arabischen Welt. Ich habe es über meine Eltern im Blut. Ich bin sehr stolz darauf, Franzose zu sein, aber auch sehr stolz darauf, diese Wurzeln und diese Vielfalt zu haben", sagte Zidane im Rückblick.

"Ich habe das Arabische über meine Eltern im Blut", sagt Frankreichs Fußball-Legende, dessen Eltern Smaïl und Malika aus Algerien stammen. Er besucht seine "Wurzeln" regelmäßig.
"Ich habe das Arabische über meine Eltern im Blut", sagt Frankreichs Fußball-Legende, dessen Eltern Smaïl und Malika aus Algerien stammen. Er besucht seine "Wurzeln" regelmäßig. © imago images/PanoramiC

Vom Pariser Vorort Saint-Denis ins Problemviertel von Marseille

Zinedine Yazid war das fünfte und letzte Kind der algerischen Auswanderer Smaïl und Malika Zidane. 1953 waren die beiden vom Volk der Kabylen (Berbern aus dem schroffen, gebirgigen Norden des Landes) nach Frankreich gekommen, ein Jahr vor Ausbruch des zermürbenden, achtjährigen Kriegs um die Unabhängigkeit ihres Heimatlands. Die ersten Jahre lebten sie in einer Vorstadt von Paris, in Saint-Denis, einem Ort, an dem ihr Letztgeborener gut vier Jahrzehnte später den größten Triumph seiner Karriere feiern sollte.

Dann zog es sie Mitte der Sechziger Jahre in den Süden, nach Marseille, ins 15. Arrondissement La Castellane – eine Plattenbausiedlung für algerische Flüchtlinge. Hier waren sie weitgehend unter sich, die Beurs, die Maghrebiner, die Immigranten aus Nordafrika, die ohne wirkliche Integrationsstrategie der Politik sich selbst überlassen waren, Drogen, Gewalt, Prostitution, viele Probleme, wenig Perspektive. La Castellane war eines von vielen dieser typischen Problemviertel, die in jener Zeit in den Banlieus an den Rändern der Großstädte hochwucherten.

Immerhin hatte der Vater einen Job, als Lagerist und Nachtwächter im Supermarkt fütterte Smaïl Zidane die Familie durch. Immer legte er dabei etwas beiseite, zum Sparen auf eine lange erträumte Investition, so wie 1983, als sich die Zidanes ihren ersten Farbfernseher leisteten. In der kleinen Wohnung direkt neben dem Place de la Tartane teilte sich Yazid ein Zimmer mit dem ältesten Bruder Madjid, an den Wänden hingen die Poster ihrer beiden Vorbilder.

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Poster von Francescoli und Michel Platini

Von Enzo Francescoli, dem damals eleganten Spielmacher aus Uruguay, der über Zinedine Zidane viele Jahre später sagte: "Normalerweise treibt ein Spieler den Ball vor sich her. Zidanes Füße dagegen schweben über dem Ball." Und von Michel Platini, dem großen Regisseur, der 1984 bei der Heim-EM die Equipe Tricolore zum allerersten Titel bei einem großen Turnier überhaupt führte und der im unvergessenen Halbfinal-Drama gegen Portugal in der 119. Minute das Siegtor zum 3:2 erzielte. Im Stade Vélodrome von Marseille damals live dabei war Zinedine Zidane. Als Balljunge am Spielfeldrand. Ein prägendes Erlebnis für den damals elfjährigen Straßenkicker, der da bereits in der Nachbarschaft beim Stadtteil-Klub US Saint-Henri spielte und wenig später zu Sports Olympiques aus der Vorstadt Septèmes-les-Vallons wechselte.

Manchmal spielte er als Linksaußen, manchmal als Libero. Zu den Spielen fuhr ihn meist sein Vater, oft dabei nicht nur ihn, sondern fast die ganze Mannschaft. Im Renault 12 Kombi von Smaïl Zidane saßen auf dem Beifahrersitz dann zwei Jungs, vier auf der Rückbank, vier bis fünf im Kofferraum.

Das wirkliche Potenzial, die Möglichkeit, dass dieser Bursche das Zeug zu einem ganz großen Spieler hat, das erkannte 1987 als Allererster Jean Varraud, ein Scout vom AS Cannes, der bei einem regionalen Trainingscamp der besten Jugendspieler rund um Marseille vorbeischaute und voller Begeisterung über die Fähigkeiten den 14-Jährigen zu einem Probetraining ins Ausbildungszentrum des Klubs einlud.

Zidane beim AS Cannes: Aus Wochen wurden Jahre

Ursprünglich sollte Zinedine Zidane nur sechs Wochen bleiben. Doch weil er alle im Verein so überzeugte, weil sie ihn nicht mehr gehen lassen wollten, wurden aus der einen Woche fünf Jahre. Cannes lag gar nicht so weit weg von La Castellane, zwei Autostunden nur, aber die Welt war eine ganz andere an der Cote d'Azur, der mondänen Destination der nicht immer Schönen, aber immer Reichen.

Mochten sich der Klub, die Trainer und die Familie von Klubvorstand Jean-Claude Elineau, bei der Zidane wohnte, noch so kümmern um das junge Talent: Zinedine plagte entsetzliches Heimweh, nach seinen Eltern und Geschwistern, nach den Bolzplatzkumpels vom Place de la Tartane.

Kaum wiederzuerkennen: Fußball-Superstar Zinedine Zidane (M.), damals noch mit vollem Haupthaar, während seiner Zeit beim AS Cannes im Jahre 1991.
Kaum wiederzuerkennen: Fußball-Superstar Zinedine Zidane (M.), damals noch mit vollem Haupthaar, während seiner Zeit beim AS Cannes im Jahre 1991. © imago images/PanoramiC

"Ein Jahr weinte ich jeden Abend leise in mein Kopfkissen", erzählte Zinedine Zidane einmal, "gleichzeitig sagte ich mir, dass ich durchhalten muss." Er hielt durch, wenn auch mit Schwierigkeiten. Immer wieder ließ er sich durch abfällig rassistische Äußerungen provozieren, sich hinreißen, er streckte Gegenspieler nieder und es gelang ihm genauso wenig, seinen Zorn zu beherrschen wie später 2006, als ein gewisser Marco Materazzi ihm etwas im WM-Finale über seine Schwester sagte. Mit 16 feierte Zinedine Zidane sein Profidebüt in der Ligue 1. Im Mai 1989, ein Kurzeinsatz gegen den AS Nantes, der mit zwei Spielern auflief, die zu zwei seiner großen Weggefährten werden sollten: Marcel Desailly und Didier Deschamps.

Lesen Sie in Teil 2: Eine Pleite gegen den FC Bayern, München als Ort der großen Niederlagen - Zidanes Klubkarriere und der steinige Weg zum Henkelpott.

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