AZ-Kommentar: Gläsern in die Gold-Ära
München - Die notorischen Simplifizierer, die Abwiegler, sie frohlocken, verfallen angesichts der Abdankung des Fifa-Sonnengottes in kollektive Verzückung: Blatter ist weg, das Reich des Bösen beendet – jetzt wird alles gut. Das ist zu viel der Ehre für den nicht ganz so ehrenhaften Präsidenten Sepp Blatter.
Der Fifa-Boss Blatter ist Geschichte: Das ist mehr als nur gut. Aber diese Dämonisierung lenkt von den wahren Problemen ab. Blatter war das Aushängeschild, das Symptom einer Krankheit, die tiefer wurzelt. Blatter war definitiv nicht das Artzney, um diese Schmiergeld-Schmierenkomödien zu beenden, aber er war auch nicht der, der alleine das Drehbuch geschrieben hat.
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Es ist diese inhärente „Nehmen-ist-seliger-als-geben“-Mentalität, der Glaube, dass nicht das Wohl der Allgemeinheit oder gar des Fußballs Priorität hat, sondern das eigene Wohlergehen. 133 von 209 Landesverbänden haben Blatter vor einer Woche das Vertrauen ausgesprochen: ihm und dem System Tango-Korrupti. Ein Wandel hätte nie stattgefunden, wenn nicht das FBI – aus welcher Motivation auch immer – eingegriffen hätte.
Nicht mit moralischen Bedenken, sondern nur mit der Härte des Strafrechts kommt man gegen Kriminelle an. Egal, ob sie Bikerjacken oder Nadelstreifen tragen. Auf einen Selbstreinigungsprozess innerhalb der Fifa braucht keiner zu hoffen. Geld als Schmiermittel hat sich in diesen Kreisen über Jahrzehnte bewährt und verselbstständigt.
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Der Überwachung der Mächtigen, die so allergisch auf jede Form der Kontrolle reagieren, die so gerne im Dunkel des Zwielichts agieren, bedarf es. Das ist bei der Fifa nicht anders als bei der NSA und dem IOC. Die Öffentlichkeit darf die Mächtigen nicht einfach machen lassen. Transparenz ist nötig. Nicht der gläserne Bürger, sondern gläserne Gremien. Funktionäre und Organe der Macht sind nötig. Das wäre ein echter Neuanfang, eine goldene Nach-Blatter-Ära.