Augsburg und die Europa League: Traumreise am Limit
Bilbao - Was für Bayern München bewährte Routine, ist für den FC Augsburg absolutes Neuland. Wo der Fußball-Rekordmeister seine schier unerschöpflichen Kapazitäten in die Waagschale wirft, stoßen die Schwaben zum Teil an ihr Limit. Das historische Europa-League-Abenteuer ist für den FCA einerseits eine Traumreise, andererseits aber auch eine nie dagewesene Herausforderung.
Die enorme Termindichte durch die sportliche Dreifachbelastung, zusätzliche Reiseplanungen, Stadionumbauten vor den Heimspielen wegen der besonderen Auflagen des Europa-Verbandes UEFA - und das alles mit 18 Angestellten auf der Geschäftsstelle: "Die Bayern haben zum Vergleich mehr als 400", berichtet der Aufsichtsratsvorsitzende und Finanz-Geschäftsführer Peter Bircks (63): "Unsere Mitarbeiter sind doppelt und dreifach gefordert. Das bringt einen an die Grenzen."
Die UEFA zum Beispiel verlangt nur Sitzplätze im Stadion, neben der Reduzierung des Fassungsvermögens von gut 30.000 auf etwa 26.000 Plätze kostet der Ein- und Ausbau den FCA jedes Mal 100.000 Euro. Die mindestens drei Europa-Reisen müssen zudem nicht nur für die Mannschaft, sondern auch für Sponsoren und Medien organisiert werden. Allerdings, und auch das wirft Bircks "fairerweise" ein, zahlt die UEFA erstmals ein Startgeld in Höhe von 2,4 Millionen Euro. "Davon kann man den Umbau und die Reisen finanzieren", sagte Bircks im Interview mit dem Münchner Merkur.
Europa League, das ist aber eben auch der wohl größte Meilenstein in der 108-jährigen Vereinshistorie. Noch 2005 führte der Augsburger Weg in der Regionalliga über Eschborn, Pfullendorf oder Elversberg, nun heißen die Gegner Bilbao, Alkmaar und Belgrad. Damals plagten den FCA Schulden, Geldgeber wie Bircks mussten ausgleichend in die eigene Tasche greifen.
Dann kam im Oktober 2000 Macher Walther Seinsch (bis 2014 Präsident) und mit ihm begann eine neue Ära. Inzwischen steht seit Mitte 2009 ein modernes Stadion, und der Klub ist dank des sportlichen Aufstiegs pumperlgesund, wie man in Bayern sagt.
Aus dem einstigen Abstiegskandidat Nummer eins ist im fünften Jahr der Erstklassigkeit ein etablierter Bundesligist geworden, der auch nicht mehr auf dem Flohmarkt nach Schnäppchen suchen muss. Immerhin gut die Hälfte der kolportierten 25 Millionen Euro aus dem Baba-Transfer zu Chelsea investierte der FCA in die Mannschaft.
Aus dem DFL-Fernsehtopf erhalten die Schwaben in dieser Saison zehn Millionen Euro mehr als im Vorjahr, die Mitgliederzahl ist auf 13.500 angewachsen. "Wir sind mittlerweile eine interessante Adresse", sagt Manager Stefan Reuter, und Bircks fügt an: "Die Braut ist schöner geworden."
Und sie stecken das Geld ja nicht nur in Beine, der Aufstieg des FCA ist ein Aufstieg auf allen Ebenen. Für über eine Million Euro erhält der Trainingsplatz am Stadion jetzt die überfällige Rasenheizung, das Nachwuchsleistungszentrum wurde baulich und wird strukturell modernisiert, dazu ist ein neues Verwaltungsgebäude in Arbeit. "Das wird die größte Aufgabe", betont Bircks, der nun schon seit 1990 eine Führungsrolle beim FCA inne hat und nicht vergisst, wo man einst stand: "Ich weiß noch, wie wir gegen Helmbrechts und Plattling gespielt haben..."