All you need is Löw

Der Coolste seit Franz! Und dazu noch mutig, abgezockt, sympathisch – und vor allem erfolgreich: Der Star ist der Trainer.
DANZIG Und plötzlich war er weg. Joachim Löw wollte alleine sein, sich austoben, seine Emotionen ausleben. Selbst in solchen Sekunden, in den emotionalsten Momenten in mitten eines Spiels, ist der Bundestrainer ganz bei sich und kontrolliert. Ausflippen ja, auch mal brüllen, aber dann doch lieber im Spielertunnel. Ohne von den Zuschauern beobachtet zu werden, ohne TV-Kameras.
Die viel zu lässige Chancenverwertung, vier binnen weniger Minuten, hatten Löw in der ersten Halbzeit des EM-Viertelfinals gegen Griechenland sauer aufgestoßen. Nach einer knappen Minute war er zurück vor der Bank, er habe mal Dampf ablassen wollen, sagte er über jene 25. Minute: „Ich habe mich geärgert, weil wir da schon zwei oder drei Tore hätten erzielen müssen.“ Kurzzeitig musste er befürchten, dass sein Überraschungscoup, die kühnste und waghalsigste Umstellung eines deutschen Nationaltrainers seit langem, doch zu riskant war. Weil Klose nicht traf, weil Reus und Schürrle verballerten. Doch es ging gut. 4:2 – das Halbfinale war erreicht.
Dabei hätte der 52-Jährige doch wissen müssen: Es kann gar nichts schief gehen, ruhig Blut. Schließlich waren die Wechsel seine Entscheidungen. „Mir hat die Wut gefallen, sie gehört dazu“, meinte Günter Netzer, Europameister von 1972, „unser Bundestrainer lebt diese Spiele und kann eben manchmal nicht nur der elegante Herr Löw sein.“
Dafür ist er eben zu sehr Perfektionist. Aber auch er müsste die Gewissheit haben: Er, Jogi Löw, macht alles richtig. Egal, wen er für den EM-Kader nominiert. Egal, wen er aufstellt. Eine glückliche Auslosung? Kein Verletzungspech? Gar Glück? Ach, was! Die deutsche Nationalelf hat ihn, den Bundestrainer. Klar, die Spieler. Aber die müssen nur ausführen, was er vorgibt. All you need is Löw.
Die AZ zeigt, was den Coach zum beliebtesten und lässigsten seines Faches seit Franz Beckenbauer macht:
Cool: Abgesehen von kleinen Tobsuchtsanfällen (siehe oben) ist Löw die Ruhe in Person. Die Intensität, Reibung und Hektik eines Turniers beflügeln ihn, darin geht er auf. Er hat für jeden ein Lächeln übrig, grüßt freundlich und lehnt beim Aufwärmen lässig auf einer Bank. Anspannung ja, aber keine Verkrampfung, keine Verbissenheit – das will er seinen Spielern vorleben. Der Clou: Löw zwinkert sogar mitten während der Hitze eines EM-Spiels Personen zu, die er oberhalb der DFB-Auswechselbank ausmacht.
Sympathisch: die Spieler schätzen seine ehrliche, direkte Art, auch wenn er ihnen in Aufstellungsfragen weh tun muss. „Es geht immer um den Respekt vor dem anderen Menschen, und da haben wir Trainer natürlich auch eine Vorbildfunktion“, sagt Löw. Bei den Fans kommt der gebürtige Schwarzwälder, stets gut, aber nie aufdringlich gekleidet, bestens an. Laut einer Umfrage eines Hotelbuchungsportals würden 18,3 Prozent der Befragten mit Löw ein Zimmer teilen, bei den Frauen lag der Anteil bei 25 Prozent.
Mutig: Löw macht seine Entscheidungen nicht von öffentlicher Stimmung oder früheren Meriten abhängig. Er geht konsequent seinen Weg, das hatte er schon in den letzten Jahren bewiesen, als er Michael Ballack und Torsten Frings aussortiert hatte.
Abgezockt: Er weiß, wie er seine Spieler packen kann, da macht ihm keiner was vor. Vor dem Viertelfinale zeigt er in der Besprechung DVDs mit Bildern von der Euphorie in der Heimat beim Public Viewing. Das hat er drauf.
Erfolgreich: Das Halbfinale ist erreicht, mit einem Weltrekord: 15 Pflichtspielsiege hintereinander. Nun will er wie 2008 ins EM-Finale und erstmals einen Titel holen. Denn nur die Krönung fehlt noch.