Alan McInally im EM-Gespräch: "Ein Braveheart zu sein, wird allein nicht reichen"
München - Der jetzt 58-jährige Alan McInally stürmte von 1989 bis 1992 für den FC Bayern, für die schottische Nationalmannschaft lief, er acht Mal auf. Er arbeitet jetzt als Kommentator bei Sky in Großbritannien.
AZ: Mr. McInally, shall we talk in German oder sprechen wir auf Englisch?
ALAN McINALLY: (auf Deutsch) Mir ist beides recht. Deutsch geht noch sehr gut.
Sie sagten mal, nach ein paar Weißbier sogar noch besser.
Stimmt. Aber hier auf der Insel ist es gerade 11 Uhr morgens. Das ist mir noch zu früh für Weißbier.
Viel getrunken wurde in 0:0 nach dem Unentschieden am Freitag gegen England. Haben Sie auch gefeiert?
Das war großartig. Ich war in London und habe in der Stadt noch nie in meinem Leben so viele Kilts gesehen und so viel Dudelsack gehört. Und noch nie in London wurde so viel Whisky getrunken, schottischer Single Malt natürlich. Manche haben mich gefragt: Warum feiert ihr denn so? Ein 0:0? Aber hey, das war in Wembley. Gegen den Auld Enemy. Für uns Schotten war das wie ein Sieg.

Nehmen Sie uns doch mal mit auf eine Reise in die schottische Seele. Ist die Rivalität mit dem alten Feind England immer noch so groß wie früher?
Im Fußball auf jeden Fall. England lässt uns Schotten mit einem Gefühl aus Überlegenheit und Überheblichkeit gerne spüren, dass sie etwas Besseres sind. Das geht den anderen Nationen hier übrigens genauso, den Walisern, den Iren. Die Engländer nerven einfach. Deswegen freuen wir uns auch so, wenn wir sie ärgern können. Das Schöne ist ja, außer 1966 haben sie nie etwas gewonnen. Jedes Mal erklären sie sich zum Mitfavoriten und jedes Mal scheitern sie. Also, zuletzt lachen dann doch immer wir.
Das heißt, spielt England gegen Deutschland, dann drücken die Schotten dem DFB-Team die Daumen?
Absolut. Durch die Bank. Dann ziehen wir unsere Kilts aus und tragen alle Lederhosen. Umgekehrt ist es genauso. Viele bei euch werden am Freitag uns unterstützt haben. Das liegt auch am Ansehen der Fans. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen englischen und schottischen Fans ist, dass sie viel trinken. Ansonsten haben die Engländer eher das Image zu prügeln und zu randalieren, während wir recht friedlich feiern.
Schotten vs. Engländer: Alan McInally macht Unterschiede deutlich
Ein großes Thema auf der Insel nach dem Brexit ist nun auch ein zweites Referendum in Schottland. Würden Sie dafür plädieren, das Vereinigte Königreich zu verlassen und sich als eigenständiger Staat der EU anzuschließen?
Ich bin da sehr skeptisch, ob uns das wirklich was bringt. Ich fände es besser, wenn UK eine Einheit bliebe. Wir hängen wirtschaftlich so stark mit England zusammen, wir haben so viele Pendler, die hier leben und dort arbeiten und umgekehrt. Wenn wir anfangen, wieder eine Grenze zu ziehen, hätte das mehr negative Folgen für uns als positive. Unsere Rivalität ist im Fußball wirklich am größten, und auch da muss man es nicht immer so ernst nehmen. Gesellschaftlich sind die Schotten und die Engländer sich näher als viele glauben, wir kommen sehr gut miteinander aus. Das Bild vom alten Feind? Im Fußball gern. Aber nicht im wirklichen Leben.
Mit Bayern haben die Schotten auch viel gemeinsam, heißt es.
In der Tat. Als ich nach München kam, hatte ich mich in die Stadt und das Land sofort verliebt. Es gibt große Parallelen. Bayern und Schotten sind sehr eigene Völker, sehr stolz und stur, aber auch freundlich und herzlich und werden von manchen als seltsame Eigenbrötler belächelt. Wir beide haben eine eigene Kultur mit sonderbaren Bräuchen wie Ihr etwa mit der Weißwurst, die kein 12-Uhr-Läuten hören darf. Ist das nicht herrlich.
Und zu der man dann doch ein frühes Weißbier trinken muss.
Das stimmt. Aber auch die Sprache. Der harte Dialekt. Wenn ich an Zahlwörter wie (jetzt kurz lupenrein Bairisch) Zwanzge oder Viazge denke, das klingt schon sehr Schottisch. Und wir haben viele Kühe und Schafe, auch das eine Gemeinsamkeit. Der große Unterschied ist nur das Klima. Es gibt ja Menschen, die an einem sonnigen Tag nach Schottland kommen und sagen: Oh, ist doch schönes Wetter hier. Aber dann haben sie eben die anderen 364 Tage nicht gesehen.

Und die weiteren Aussichten? Waren für Ihr Land bei großen Turnieren immer sehr düster. Jetzt könnten Sie mit einem Sieg über Kroatien erstmals in ein Achtelfinale einziehen.
Das wäre unglaublich. Ein echtes Finale zuhause in Glasgow. Wir haben auch wirklich eine große Chance. Die Kroaten sind zwar Vizeweltmeister mit tollen Spielern, Modric, Perisic, Kramaric. Aber sie sind auch älter geworden und nicht mehr so stark wie bei der WM 2018. Unsere Spieler müssen wie gegen England alle Bravehearts sein, aber das alleine reicht nicht. Das Problem ist, wir haben noch immer kein Tor geschossen. Und wir haben keinen wirklichen Stürmer. Ich habe am Wochenende in meiner Garage schon meine alten Fußballschuhe aus Bayern-Zeiten gesucht, für den Fall, dass mich Nationaltrainer Steve Clarke anruft und für Dienstag nachnominiert.
Ihr Tipp?
1:0. Und dann spielen wir vielleicht irgendwann im Turnier noch gegen Euch. Dann rufe ich meine alten Kumpels an, Pflügler, Augenthaler, Hoeneß.
McInally: "Die Bayern waren meine große Liebe"
Sie verfolgen die Bayern noch immer?
Natürlich. Die Bayern waren meine große Liebe. Ohne meine schwere Knieverletzung hätte ich gerne meine Karriere in München beendet. Und Hansi hat Großartiges geleistet als Trainer. Sieben Titel in dieser kurzen Zeit, unfassbar.
Sie selbst haben ja mit Flick gemeinsam bei Bayern gespielt.
Ja, ich habe auch immer wieder versucht, ihn anzurufen, aber er hat in den letzten Jahren wohl seine Handynummer gewechselt.
Wollten Sie ihm zu den Erfolgen gratulieren?
Das auch, ich wollte ihn aber auch an seine Schulden erinnern.
Flick hat bei McInally Schulden
Schulden?
Ja. Da stehen noch 100 Mark aus, die er beim Backgammon gegen mich verloren hat.
Flick war also kein guter Spieler?
Nein. Also zumindest im Backgammon war er nicht so gut wie ich.