Franz Klammer: Kaiser in Pantoffeln
MÜNCHEN Schon mit dem ersten Sieg eine Legende zu werden, das schaffen die wenigsten. Franz Klammer, Bergbauernbub aus dem 260-Seelen-Weiler Mooswald bei Villach, gelang das Kunststück mit einem Husarenritt auf der Planai in Schladming. Bei seinem ersten Abfahrtssieg im Dezember 1973 war er mit einem Durchschnitts-Speed von 111,2 km/h unterwegs – ein Rekord, der trotz rasanter technischer Entwicklungen erst 20 Jahre später gebrochen wurde. Da war Klammer längst "Abfahrtskaiser", der mit 25 Siegen erfolgreichste Downhiller der Weltcup-Geschichte. Auch heute, am 60. Geburtstag, wird er die Story sicher wieder erzählen.
Die Abfahrtspremiere auf der Planai war eine Sturzorgie: 19 Fahrer flogen raus. Es hatte geregnet und über Nacht gefroren, was die Planai in eine Schlittschuhbahn verwandelte. Als sich der Schweizer Bernhard Russi, Olympiasieger von 1972 und Klammers großer Konkurrent, mit Startnummer neun nach der Bestzeit erkundigte, hieß es: "Wir wissen es nicht. Es ist noch keiner im Ziel angekommen..." Schneller als Klammer war an diesem Tag keiner, und es sollten viele solcher Tage folgen. In der folgenden Saison entwickelte sich der Kärtner zum Seriensieger, gewann acht von neun Rennen, in Wengen gar mit 3,54 Sekunden Sekunden Vorsprung: noch ein Rekord für die Ewigkeit.
Sein größter Tag war aber der Olympiasieg 1976 vor 60000 Zuschauern am Patscherkofel in Innsbruck. Klammer war 22 und Favorit. "Vor dem Rennen habe ich mir gesagt: 'Entweder, es haut mich raus, oder ich gewinne'", sagt er, weiß noch, dass Russi perfekt gefahren war und er dachte: 'Das geht sich nie aus'. Aber beim Wegfahren habe ich gewusst, ich gewinne. Ohne Patscherkofel wäre ich nicht die Person, die ich heute bin. Innsbruck hat mein Leben gravierend verändert. Ich habe geglaubt, ich fahre da runter, gewinne und das war's. Hätte ich Innsbruck nicht gewonnen, wäre ich vielleicht nur ein Rennläufer unter vielen gewesen. Aber mit diesem Sieg war ich von Anfang an so eine Art Legende."
Oft muss Klammer von früher erzählen, was er gern tut: "Es war alles ein bisserl wilder. Wir hatten pro Abfahrt fünf verschiedene Schneesorten. Heute gibt's nur noch eine, und das ist nicht mehr Schnee, sondern Eis. Wir hatten auch körperlich ganz andere Voraussetzungen. Ich war einer der Fittesten, hatte aber nie mehr als 80 oder 82 Kilo. Mit so einem Gewicht brauchst du heute gar nicht mehr anzutreten. Und unsere Schuhe waren im Vergleich zu denen von heute weich wie Pantoffeln." Klammer war aber einer der Ersten, der vor dem Rennen Kopfhörer anzog und Musik hörte, meist das Trompetenkonzert von Hummel. Er sagt: "Ich habe einfach gemerkt, wie gut mir das tut."
Wie gefährlich der Abfahrtslauf früher war, erfuhr sein damals 17-jähriger Bruder Klaus am eigenen Leib: Nach einem Sturz in der Abfahrt ist er seit 1977 querschnittsgelähmt. Franz Klammer rief eine Stiftung für Unfallopfer des Sports ins Leben, für die er bis heute Spenden sammelt, oft bei Golfturnieren. Heute sagt Vollgaspilot: "Es ist zwar nicht einfach, das Tempo aus dem Leben rauszunehmen, aber es tut ungemein gut."
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