Ferdinand Tille im Interview: "Man erkennt mich nicht - weil ich so klein bin"
Heute spielt Generali Haching gegen Zenit Kazan, eines der stärksten Teams der Champions League. Hier erzählt Ferdinand Tille, bester Libero der WM, wie es ist, wenn man unterschätzt wird.
AZ: Herr Tille, am Mittwoch bestreitet Generali Haching das erste Spiel des neuen Jahres. Und das beginnt gleich mit einem Highlight in der Champions League. Um 20.30 Uhr kommt dann mit Zenit Kazan eines der derzeit besten Volleyballteams Europas an den Utzweg. Schon nervös?
FERDINAND TILLE: Nein. Es ist mehr Vorfreude auf das Spiel als Anspannung, weil wir die Chance haben, gegen eines der besten Teams in Europa zu spielen. Mehr als verlieren können wir nicht. Und so sollten wir auch ins Spiel reingehen. Wenn wir alles versuchen, dann wird uns auch keiner böse sein, wenn wir verlieren sollten.
Es ist das Spiel der Spiele. Mit einem Sieg steht Haching im Achtelfinale. Sind Sie wirklich so cool?
Ja. Noch. (lacht) Bei mir ist es wirklich die pure Vorfreude, angespannt bin ich eigentlich kaum. Ich versuche einfach Volleyball zu spielen. Wenn ich einen Fehler mache, dann mache ich ihn. Ich würde mich nicht so unter Druck setzen, dass ich während des Spiels meinen Kopf verliere.
Kazan ist die Übermannschaft im Volleyball. Was macht dieses Team so stark?
Sie haben mit Maxim Mikhailov den besten Diagonalspieler der Welt und auch einen der besten Zuspieler (Olympiasieger Lloy Ball, d. Red.). Der ist sehr erfahren. Der Außenangreifer (Reid Priddy, d. Red.) hat allein an die 300, 400 Länderspiele für Russland absolviert. Und Mikhailov war der beste Angreifer bei der Weltmeisterschaft. Es ist wirklich eine der besten Mannschaften in Europa, die da nach Haching kommt.
Sie wurden bei der Weltmeisterschaft im Sommer zum besten Libero gewählt. Trainer Mihai Paduretu spricht immer in höchsten Tönen von Ihnen. Sind Sie sein verlängerter Arm auf dem Platz?
Ja, schon. Weil ich oft auf der 5er Position spiele, wo der Trainer auch die meiste Zeit in der Nähe steht. Wenn er etwas rein ruft und die anderen hören es nicht, dann gebe ich es weiter. Wir reden viel und verstehen uns sehr gut.
Ihr Standing im Verein hat sich seit der Weltmeisterschaft schon verändert, oder?
Es war schon ein komisches Gefühl, als ich zurückgekommen bin. Die neuen Spieler kannten mich nicht und dachten nicht, dass so ein kleiner Junge da der weltbeste Libero sein sollte. Ich glaube, die wussten nach einem Probetraining nicht mal, dass ich Libero bin. Die dachten wohl, dass ich auch ein Probespieler bin. Aber nach den ersten Erfolgen wussten Sie, wer ich bin. (schmunzelt)
Beschreiben Sie doch mal das Erfolgsgeheimnis Ihres Trainers.
Er setzt uns nicht unter Druck, sondern sorgt dafür, dass wir immer konzentriert bleiben. Das ist das Wichtigste. Ich bin jetzt schon viereinhalb Jahre in Haching und der Mihai macht seine Sache sehr gut. Er holt uns immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Paduretu ist der Vater des großen Erfolgs?
Auf jeden Fall. Er hat die Mannschaft zusammengestellt, und es ist sein Verdienst, dass wir so erfolgreich sind. Der Verein ist sein Lebenswerk und das ist der Hauptgrund, warum er so viel Zeit und Fleiß da rein- steckt. Er wird nicht aufhören damit, bis er es geschafft hat Haching zur Nummer 1 zu machen. Er ist der Grund, warum hier alles so gut läuft.
Es kann die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte werden. Was macht Haching heuer so stark?
Wir haben eine gute Mischung aus jungen und älteren, erfahrenen Spielern. Es passt im Team. Wir bleiben nach dem Training auch mal in der Kabine sitzen und fahren nicht gleich nach Hause. Weihnachten z.B. waren die Spieler, die nicht nach Hause fahren konnten, bei einem Spieler zusammengesessen.
Im Umfeld träumt man schon davon, dass in dieser Saison alle drei Titel möglich sind.
Wir sollten auf dem Boden bleiben. Champions League ist das Unwahrscheinlichste. Meisterschaft und Pokal sind definitiv drin. Wenn wir beides gewinnen, dann ist es die erfolgreichste Saison in der Vereinsgeschichte.
Auch Hachings Bürgermeister Wolfgang Panzer ist von den Volleyballern begeistert. Er befand, dass Generali Haching über die Grenzen der Kommune eine Marke geworden ist.
Eine Marke? Ich weiß nur, dass ich mittlerweile mehr Interviewanfragen bekomme und öfter in der Stadt erkannt werde. Unsere großen Spieler sowieso. Wobei man mich ja nicht so gut erkennt, weil ich so klein bin. (lacht) Aber der Erfolg macht uns schon bekannter.
Was hat sich sonst noch verändert durch den Erfolg?
Es kamen die letzten Jahre immer neue Ideen dazu und das ganze Umfeld wurde professioneller. Mehr Trainer, mehr Scouts. In Haching ist nichts stehengeblieben. Es gab keinen Rückschritt.
So wie bei Bayerns Basketballern? Zuletzt waren Sie mit einigen Kollegen bei einem Spiel der Bayern.
Wir können die Basketballer sicher als Vorbild nehmen, wie die ihr Ding vermarkten. Es wäre schon cool, auch in der Olympiahalle zu spielen. Obwohl ich denke, dass die Stimmung bei denen nicht besser ist als bei uns. Wenn man beides kombinieren könnte, wäre es die perfekte Mischung. Mit einer vollen Halle ist es bei uns am Utzweg momentan perfekt.
Gibt es für Sie eigentlich ein Leben neben dem Volleyball?
Ja, ich mache ein Fernstudium Wirtschaftsinformatik. Aber einen konkreten Berufswunsch habe ich noch nicht.
Ist das Ausland denn ein Wunsch? Als weltbester Libero in der Champions League weckt man Begehrlichkeiten bei Europas Topklubs.
Als Libero ist es schwer, einen Verein im Ausland zu finden. Ich habe zwar nie etwas anderes gehabt, aber mir taugt es in Haching. Außerdem ist meine Familie hier und auch meine Freunde leben alle hier. Ich bin gerade rundum glücklich.
Ein Grund ist da sicher auch Ihre Freundin, oder?
Ja klar. Ich habe Judith (21, d. Red.) vor der WM im Sommer über die Freundin von einem Mitspieler (Markus Pielmeyer, d. Red.) kennengelernt. Dann musste ich zur WM und habe sie erst danach wiedergesehen. Ich bin aber am Ball geblieben und es ging relativ schnell mit uns (lacht). Ich fühle mich einfach viel glücklicher, seit ich mit ihr zusammen bin. Sie ist auch ein Grund für meine guten Leistungen. Ich hoffe es bleibt so.
Interview: Reinhard Franke
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