Trotz zweier Rekorde: FC-Bayern-Basketballer verspielen Führung gegen Maccabi
Carsen Edwards hätte auf die Tribüne der Aleksandar-Nikolic-Arena in Belgrad klettern und aus einer der Sitzreihen zum Korb werfen können, er hätte wahrscheinlich den Weg durch die Reuse gefunden.
So ähnlich wie beim absurden Film "Happy Gilmore", als der vom Eishockey-Rüpel zur Golf-Sensation mutierte Protagonist, den Adam Sandler verkörpert, beim entscheidenden Schlag die Frontscheibe eines Autos, einen umgestürzten TV-Kameraturm und die zum Aufbau gehörigen Metallrohre zur Unterstützung nutzt – und das Spielgerät trotz der Unmöglichkeit des Unterfangens ins Loch kullert.
Nicht zu stoppen: Bayern-Star Edwards stellt zwei neue Bestmarken auf
Edwards war an diesem Donnerstagabend nicht zu stoppen, unaufhaltsam – das Problem aber: Nahezu seine gesamte Punkteshow konzentrierte sich auf das dritte Viertel des Duells mit Maccabi Tel Aviv. Der Top-Scorer des FC Bayern Basketball erzielte beinahe unglaubliche 26 Zähler in diesen irren Minuten, er traf acht Dreier aus jeder nur vorstellbaren Lage und Situation. So etwas hatte es in der Euroleague noch nicht gegeben.
Selbst Maccabis Coach Oded Kattash sagte geplättet: "Carsen Edwards hat ganz verrückte Würfe getroffen, das war grandios. Er hatte verrückte fünf bis sechs Minuten – und konnte einfach nicht danebenwerfen."
Aber, und dieses Aber ist groß: Im letzten Viertel schenkte der deutsche Meister aus unerfindlichen Gründen eine komfortable 16-Punkte-Führung her bei einem Team, das bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit bewies, für das es jedoch nur ums Prestige ging.
So stand unterm Strich eine 90:93-Pleite, und der Edwards-Rekordnacht blieb ebenso der Zuckerguss verwehrt wie dem Comeback von Devin Booker nach zweimonatiger Verletzungspause wegen einer Innenbandblessur im Knie.
Einbruch im letzten Viertel: FC Bayern gibt Führung aus der Hand
Die Bayern leisteten sich in den letzten neun Minuten leichtsinnige Ballverluste, die Pässe ließen Präzision vermissen, die Würfe klatschten auf statt in den Ring, obwohl sie zum Teil aus ähnlichen Positionen kamen wie zuvor. Auch bei Edwards, der insgesamt bei 33 Zählern landete, ging nicht mehr viel. Ein Mysterium – und nicht allein damit zu erklären, dass Tel Aviv aggressiver verteidigte. Hatte die Mannschaft unterbewusst einen grünen Haken ans Spiel gemacht?
Trainer Gordon Herbert sagte mit einer von Bitternis getränkter Miene: "Nach unserem guten dritten Viertel hatten wir einige Ballverluste in der Offensive und sie (Tel Aviv/d.Red.) trafen einige Dreier und kamen so zurück ins Spiel." Auf die Ursache dessen ging der Weltmeistercoach nicht konkret ein, ergänzte nur, dass der FC Bayern am Ende "gute, offene Würfe" hatte, als der Vorsprung geschrumpft war, aber noch minimal bestand: "Wir haben sie nur nicht gemacht." Maccabi allerdings schon.
Ein Sieg gegen Favorit Istanbul und die direkte Playoff-Qualifikation ist drin
Und deshalb gaben die Münchner die Riesenchance, je nach Ausgang der Freitagsspiele bereits einen festen Platz in den Top-Sechs zu erobern, aus der Hand. "Wenn du führst, musst du am Ende das Spiel gewinnen. Das haben wir nicht getan", schimpfte Routinier Elias Harris.
Was bleibt, ist das Heimspiel gegen den Titelanwärter Fenerbahce Istanbul. Ein Sieg – und die direkte Playoff-Qualifikation ist drin. Andernfalls geht es in die Play-Ins, was angesichts der Ausgangslage eine Enttäuschung wäre. "Mit der Niederlage machen wir es uns natürlich schwer", sagte Shabazz Napier. Aber vielleicht hat Carsen Edwards seinen "Happy Gilmore"-Moment beim nächsten Mal zum richtigen Zeitpunkt.