FC Bayern Basketball: Paul Zipser und die letzte Etappe
Paul Zipser hat gesucht. Nach dem Gefühl der Selbstverständlichkeit, nach dem Spieler, der er vor diesem Tag im Juni 2021 gewesen ist. Nach Paul Zipser, dem deutschen NBA-Profi der Chicago Bulls, einem der besten Basketballer seines Landes. Doch Paul Zipser musste sich neu erfinden, er wusste nach diesem einschneidenden Erlebnis ja gar nicht, ob es überhaupt weitergeht.
Während der BBL-Finalserie gegen Alba Berlin erlitt der 28-Jährige eine lebensbedrohliche Hirnblutung, ausgelöst durch gutartigen, angeborenen Tumor. Dass Zipser nach einer Notoperation überhaupt wieder ohne Einschränkungen würde leben können, das war keineswegs sicher. Er schaffte aber nicht nur das, er stand 271 Tage nach der Beinahe-Tragödie wieder auf dem Parkett. Im März 2022 gegen die Hamburg Towers für wenige Sekunden.
Der Rest der Saison 21/22 war dann eine "Achterbahnfahrt", wie Zipser unlängst im AZ-Gespräch erzählte. "Paul ist zurück, aber er ist nicht wirklich zurück", sagte Bayern-Coach Andrea Trinchieri einmal in dieser Zeit. Zipser durchlief zahlreiche Phasen, jede neue führte ihn näher heran an das Team, näher heran, wieder ein vollwertiger Teil der Mannschaft zu sein. "Je länger man das wieder trainiert und spielt", beschrieb der 2,03 Meter große Shooting Guard, "desto mehr kommt Routine, desto weniger denkt man darüber nach, ob man jetzt einen Fehler macht. Sobald man darüber nachdenkt, bloß keine Fehler zu machen, hat es keinen Sinn. Und irgendwann kann man dann wieder anfangen, normal zu spielen."
Wenn man nach dem Saisonauftakt-Sieg gegen Ulm (87:80) seinen Coach Trinchieri hörte, dann steht dieser Zeitpunkt kurz bevor. "Paul ist auf seiner letzten Etappe, er braucht nur noch etwas Tempo bei der Ausführung - der Rest ist da", urteilte der Italiener. Abzulesen war das auch daran, dass Zipser tatsächlich Einfluss nahm auf das Spielgeschehen. Insbesondere zu Beginn des dritten Viertels, da gelangen dem Heidelberger in kurzer Zeit sechs Punkte, die gegen die zwischenzeitlich herangerückten Ulmer wieder ein Polster schufen. Trinchieri: "Er war sehr stabil, in der Offensive immer am richtigen Ort."
Das kann man wohl sagen. In den knapp 14 Minuten, die Zipser auf dem Feld war, legte der FC Bayern einen Abstand von zwölf Zählern zwischen sich und den Gegner. Nur der überragende Top-Scorer Cassius Winston hatte in dieser Statistik einen noch besseren Wert. Es ist gewiss nicht untertrieben, dies als äußerst ermutigendes Signal zu beschreiben. "Das macht Lust auf mehr", war Herbert Hainers allgemeine Einschätzung. Das Lob des Bayern-Präsidenten durfte aber auch Zipser für sich beanspruchen.
Allerdings sollte niemand erwarten, dass es nun ausschließlich so weitergeht. So aufreibend, wie die vergangenen gut eineinviertel Jahre waren, sind kleinere Rückschläge noch immer einzukalkulieren. Aber die kann Zipser sicher verkraften.
Zumal es aussieht, als könne er generell das noch mehr auf Geschwindigkeit ausgerichtete Bayern-Spiel mitgehen. "Die Gegner respektieren ihn, es fehlt nur noch ein bisschen Glanz", meinte Trinchieri noch. Bei einem Paul Zipser, der für sein Kampf auf dem Weg zum Comeback enorme Hochachtung verdient.