Wörle: "Ich klopfe an die Kabinentür"

Der einzige Kerl in der Frauenmannschaft: Bayerns Damencoach Thomas Wörle wird 30.
Interview: Joscha Thieringer |
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Die Bundesliga-Frauen des FC Bayern.
Rauchensteiner/Augenklick Die Bundesliga-Frauen des FC Bayern.

Der einzige Kerl in der Frauenmannschaft: Bayerns Damencoach Thomas Wörle wird 30

AZ: Herr Wörle, alles Gute zum Geburtstag! Sie werden an diesem Samstag 30 Jahre alt und sind mit Abstand der jüngste Cheftrainer der Fußball-Bundesliga. Der Frauen. Und das beim großen FC Bayern!


THOMAS WÖRLE: Danke. Ja, es macht mich schon stolz, für diesen Verein zu arbeiten. Auch wenn der FC Bayern im Frauenfußball nicht den gleichen Stellenwert genießt wie beim Männersport. Potsdam, Duisburg, Wolfsburg oder Frankfurt - diese Top-Klubs haben uns schon Einiges voraus.


Im Mai 2010 erbten Sie das Traineramt von Ihrem Vater Günther. Wie haben Sie sich seitdem weiterentwickelt?


Sicherlich gab es Dinge, die ich heute nicht mehr so machen würde. Nach meiner eigenen Profikarriere, die ich aus gesundheitlichen Gründen leider im besten Fußballeralter beenden musste, war das ja eine völlig neue Situation für mich: Einerseits als Trainer, andererseits mit Frauen - auch wenn ich mich durch meinen Vater und meine Schwester (Tanja Wörle spielt selbst beim FC Bayern, d. Red.) einigermaßen auskannte. Das hat mich vielleicht ein wenig sensibler für frauenspezifische Probleme gemacht.


Was meinen Sie damit?


Frauen ticken einfach anders. Zum Beispiel wenn es auf dem Platz Stress gibt: Männer regeln das direkt, vielleicht mit einem heftigen Zweikampf - und danach ist die Sache erledigt. Frauen denken mehr nach und tun sich deshalb auch schwerer, Dinge ruhen zu lassen.


Das mussten Sie sicherlich auch erst lernen.


Na klar. Als Fußballer war ich es gewohnt, dass der Trainer in der Kabine deutliche Ansagen macht. Da flogen schon mal die Fetzen. Diese Art kannst Du beim Frauenfußball nicht eins zu eins anwenden, die Mädels nehmen sich das mehr zu Herzen. Die erinnern sich ganz genau, was du zu ihnen vor acht Monaten gesagt hast. Aber natürlich spreche ich Fehler immer noch klar an – nur verpacke ich die Kritik anders, immer in Verbindung mit einem Lösungsvorschlag.


Muss der Frauenfußball immer noch die Trumpfkarte Sex ausspielen?


Ich denke, dass viele Skeptiker spätestens bei der WM gesehen haben, dass Frauenfußball durchaus attraktiv sein kann - eben nicht nur aufgrund des Aussehens der Spielerinnen. Das Spiel hat sich enorm weiterentwickelt, es ist sowohl technischer als auch athletischer geworden. Auch deshalb hat sich unser Zuschauerschnitt in der Hinrunde auf fast 800 verdoppelt.


Oder waren es doch die erotischen Fotos Ihrer Spielerinnen Julia Simic, Ivana Rudelic und Annika Doppler, die in der Juli-Ausgabe 2011 des „Playboy” zu sehen waren?


Nein, das sehe ich nicht so. Keiner, der wegen solcher Bilder unsere Spiele besucht, kommt dauerhaft wieder. Ohne Leistung bringt das alles nichts. Wir haben Fans, die uns nicht dauernd mit den Männern vergleichen. Die mögen unsere Art des Spiels und empfinden die ruhigere Atmosphäre als angenehm: ohne Pöbeleien auf der Tribüne und Schauspieleinlagen auf dem Platz.


Wie finden Sie denn die sexy Fotos Ihrer Spielerinnen?


Für mich ist das als Trainer völlig okay, das war ja auch alles mit dem Verein abgesprochen. Die Mädels sind ja nicht doof, die wissen ganz genau, dass sie mit den Vor-, aber genauso mit den Nachteilen leben müssen.


Was alle Männer brennend interessiert: Wo halten Sie sich auf, während sich Ihre Spielerinnen umziehen?


(lacht) Das ist tatsächlich eine Frage, die mir sehr oft gestellt wird. Die Antwort ist allerdings total unspannend: Außerhalb der Umkleidekabine. Ich komme erst rein, wenn alle umgezogen sind.


Und dann wird ein Glöckchen geläutet, das Sie hereinruft?


Nein, ich klopfe einfach, dann wird mir mitgeteilt, ob ich reinkommen kann. Aber ganz im Ernst: Da lege ich sehr sehr großen Wert darauf, dass das passt. Mein Job ist es, Trainer zu sein. Dabei gilt es auch, auf diese Dinge zu achten.


Ist es noch nie vorgekommen, dass sich eine Spielerin in Sie verliebt hat?


Im Gegenteil: Die hassen mich wohl eher. (lacht) Schließlich bin ich derjenige, der ihnen die Richtung vorgibt und sie hart trainieren lässt - das ist doch eine eklige Position. Ich bin zwar jung, aber alle wissen, dass ich glücklich verheiratet bin und zwei kleine Kinder habe. Glauben Sie mir, da kommt keinerlei Romantik auf.


Wie findet es Ihre Gattin, dass Sie so viel Zeit mit 25 jungen Frauen verbringen?


Kristina kennt mich gut und weiß, dass das nun mal mein Job ist: Sie hat keinen Grund zur Eifersucht.


Wollen Sie in Zukunft auch als Trainer im Männerbereich arbeiten? Jupp Heynckes' Vertrag endet 2013...


(lacht) Das wäre ein Angebot, bei dem ich nicht Nein sagen würde. Im Ernst: Mein Ziel ist, irgendwann mal ein Herrenteam zu übernehmen, aber darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken. Ich bin sehr glücklich hier und habe mit den Mädels noch einige Ziele.


Welche sind das?


Nach der schwierigen Vorrunde, in der wir mit Platz acht hinter den Erwartungen geblieben sind, wollen wir schnell weg von den unteren Tabellenrängen (die Rückrunde startet am 19. Februar, d. Red.). Und es wäre natürlich traumhaft, wenn wir unser Pokalhalbfinale gegen den Hamburger SV gewinnen würden, um ins Finale einzuziehen.

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