Teresa Enke über Robert Enke, die Stiftung und den Fußball

Köln - Die 41-Jährige war von 2000 bis zum Tod des Ex-Nationaltorhüters 2009 mit Robert Enke verheiratet. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Robert-Enke-Stiftung.
AZ: Frau Enke, mehr als acht Jahre sind inzwischen seit Roberts Suizid vergangen. Sie leben heute in Köln, sind aus Hannover weggezogen. Gehen Sie noch ins Fußballstadion?
TERESA ENKE: Nein, hier in Köln war ich tatsächlich erst einmal zu einem Länderspiel. Aber der FC ist mir sehr sympathisch, die Leidenschaft der Fans und die Herzlichkeit der Leute insgesamt. Von der tollen Stimmung im Stadion hat mir damals schon Robbi (Robert Enke, d. Red.) erzählt.
Roberts Todestag ist erst wenige Wochen her, am 10. November 2009 nahm er sich damals das Leben. Wie präsent ist er in Ihrem heutigen Leben?
An seinem Todestag, an diesem schrecklichen Tag, kommen die Erinnerungen verstärkt hoch. Robert ist wie Lara (Enkes Tochter, die 2006 im Alter von zwei Jahren an einem Herzversagen verstarb, d. Red.) immer präsent, jeden Tag. Das sind Kleinigkeiten, Bilder oder Situationen, die einem ins Gedächtnis gerufen werden, die mich an Robert erinnern. Es ist heute nicht mehr so intensiv wie in der Anfangszeit, als es gerade passiert war. Aber Robert ist immer noch ein großer Teil meines Lebens, allein schon durch die Robert-Enke-Stiftung.
Teresa Enke: "Ich habe alles wieder vor Augen"
Läuft dieser 10. November 2009 noch mal genau vor Ihren Augen ab, wenn sich der Todestag jährt?
Ja, das ist so. Ich weiß noch genau die Zeiten, wann was passiert ist an diesem Tag. Das ist sehr präsent. Das Wetter spielt da ja auch immer mit rein. Es ist an den Todestagen immer genauso trist, wie es damals war. Ich habe alles wieder vor Augen.
Gab es bei all der Trauer in den vergangenen Jahren auch Momente, in denen Sie wütend auf Robert waren, dass er Sie und Ihre gemeinsame Adoptivtochter Leila allein gelassen hat?
Robbi litt an Depressionen, das ist eine Krankheit. Er war gefangen in diesem Verhalten, in dieser Traurigkeit. Ich war damals selbst verzweifelt. Richtig wütend war ich nie auf ihn.
Sie haben es mal als Fehler bezeichnet, dass Robert seine Therapie abbrach in Phasen, in denen es ihm besser ging.
Ja, wir hätten das auf jeden Fall fortsetzen müssen. Das rate ich auch jedem, der sich in einer schwierigen Situation befindet. Wenn es einem gut geht, wenn der Alltag wieder fortgeschritten ist, denkt man, das braucht man nicht. Man nimmt sich dann keine Zeit mehr für die Krankheit und denkt, dass es Wichtigeres gibt. Wir hätten damals wachsamer sein müssen, wir hätten die Therapie nicht beenden dürfen.
Im März 2007 gab Robert Enke sein Länderspieldebüt in einem Freundschaftsspiel gegen Dänemark. Foto: firo/Augenklick
Teresa Enke: "Es geht mir gut"
Als Sie kürzlich an Roberts Grab gedachten, waren Roberts Mutter Gisela und ehemalige Teamkollegen von früher an Ihrer Seite. Per Mertesacker verfasste auf der Homepage Ihrer Stiftung einen Gastbeitrag für seinen Freund Robert. Wie sehr hilft Ihnen diese Unterstützung?
Es ist ein schönes Gefühl, dass Robbi nicht vergessen ist, dass ich nicht vergessen bin. Es tut mir gut, diesen schrecklichen Tag mit Menschen begehen zu können, die Robbi gut kannten. Wir erinnern uns dann gemeinsam an die Momente mit ihm, an die nicht so schönen und an die schönen, von denen es ja auch viele gab. Ich weiß an diesem Tag, dass mir viele Menschen geblieben sind.
Wie sieht heute Ihr Alltag aus?
Recht normal eigentlich. An erster Stelle steht Leila, dann kommt unser Hund und die Stiftungsarbeit, die mich sehr einnimmt. Ich kümmere mich um die Schulsachen meiner Tochter, gehe einkaufen und zum Sport. Es geht mir gut.
Ist die Stiftung Roberts Vermächtnis?
Ja, das würde ich so sagen. Es ist alles in seinem Sinne, was in der Stiftung passiert. Sein Tod gibt dieser Tragödie einen Sinn – auch wenn ich natürlich viel lieber auf die Stiftung verzichten würde und Robbi zurück in meinem Leben hätte. Für mich war es wichtig, dass es nach Robbis Tod etwas gibt, für das es sich lohnt, weiter zu kämpfen. Und, dass es in Zukunft nicht mehr so vielen Menschen passiert. Die Stiftung ist auch seine Stiftung.
Teresa Enke: "Sportler bekennen sich zu der Krankheit"
Es gibt inzwischen sogar die Enke-App.
Das ist eines unserer Herzstücke, da bin ich sehr stolz drauf. Jeder ist heutzutage am Handy, das machen wir uns zunutze. Wir erklären in der App unsere Projekte, die User können ihre Freunde einladen und künftig in der App mit ihnen chatten. Wenn es einem User dann wirklich schlecht geht und er gar über einen Suizid nachdenkt, kann er einen Notfallbutton drücken. Dann bekommen seine Freunde das sofort mit, auch den Standort, wenn er das so eingestellt hat.
Ist die Krankheit Depression in der Gesellschaft heute anerkannter als damals? Hat Roberts Suizid etwas verändert?
Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist eine andere, es wird über Depression gesprochen, Sportler bekennen sich zu der Krankheit: Lindsey Vonn, Ralf Rangnick und viele weitere, die sich während oder häufiger nach ihrer Karriere bekennen. Es gibt einen offeneren Umgang mit dem Thema Depression im Leistungssport und auch in der Gesellschaft, weil die meisten Leute erkannt haben, dass es eine Krankheit ist, die man behandeln kann. Es ist keine Schwäche.
Sind Sie sicher, dass Depressionen, speziell im Fußball und bei Teilen der Fans, nicht als Schwäche angesehen werden?
In einigen Köpfen ist dieses Denken noch drin. Dass man sagt, der soll sich nicht so anstellen, der soll mal abends in die Kneipe gehen mit Freunden und dann ist es wieder gut. Aber so einfach ist es nicht. Es ist eine Krankheit wie ein Kreuzbandriss oder eine Blinddarmentzündung. Man kann die Krankheit behandeln und wieder gesund werden. Robbi ist damals von einer schweren Depression zurückgekommen und sogar Nationaltorhüter geworden. Ich möchte, dass die Krankheit Depression ihren Schrecken verliert.
"Ich bin heute ein glücklicher, ausgeglichener Mensch", sagt Theresa Enke. Foto: dpa
Teresa Enke: "Ich möchte die Zeit mit Robbi nie missen"
Mit dem Wissen von heute, mit der gestiegenen Akzeptanz der Krankheit: Wäre Roberts Suizid zu verhindern gewesen?
Ja, daran glaube ich ganz fest. Wir, also die wenigen Menschen aus Roberts damaligem Umfeld, hätten schneller Hilfe bekommen und nicht gedacht, wir stehen komplett alleine da. Deshalb engagiere ich mich in der Robert-Enke-Stiftung, damit so etwas nie wieder passiert. Wir hätten uns heute nicht so sehr verstecken müssen wie damals.
Wie anstrengend war dieses Versteckspiel?
Es war das Schwierigste überhaupt für Robbi und mich. Wenn man ohnehin so krank ist, dass man all seine Kraft für die Heilung aufbringt, und wenn man sich dann auch noch verstecken muss, dann ist es kaum auszuhalten. Robbi musste immer schauspielern, auch vor unseren Freunden, und ich musste es genauso tun, damit nichts herauskommt. Ich wünsche mir, dass ein Fußballer das in Zukunft nicht mehr durchmachen muss. Dass er seinen Teamkollegen und seinem Trainer von seiner Krankheit erzählt, in Therapie geht und wieder zurückkommt.
Frau Enke, sind Sie heute, acht Jahre danach, wieder ein glücklicher Mensch?
Ja, auf alle Fälle. Die Zeit heilt vieles, aber das Ereignis von damals wird immer großer Teil meines Lebens bleiben, ein schrecklicher Teil. Ich habe immer gesagt, dass mein Leben weitergeht, dass ich für meine Tochter da sein muss. Ich bin heute ein glücklicher, ausgeglichener Mensch. Die Erinnerung an Robbi tut nicht mehr weh, nicht so wie am Anfang. Ich bin dankbar, diese Erinnerung zu haben und so einen wundervollen Menschen gekannt zu haben. Ich hatte mit ihm gemeinsam eine wundervolle Tochter und eine wundervolle Adoptivtochter. Ich möchte die Zeit mit Robbi nie missen und denke gerne daran zurück.