Robben: Geboren am rechten Flügel
BEDUM - Auf den Spuren des neuen Bayern-Stars: Was sein Jugendtrainer erzählt, wie er seinen ersten Verein zum reichen Amateurklub machte, warum der kleine Arjen täglich 35 Kilometer radeln musste.
Es war der Sensationstransfer. Kurz vor Ende der Wechselfrist wurde Arjen Robben in München vorgestellt. 24 Stunden später hatte er für die Bayern seine ersten zwei Tore erzielt. Im Derby gegen Nürnberg bekommen die Fans ihren neuen Liebling zum zweiten Mal live zu sehen. Doch wer ist dieser Arjen Robben? Die AZ hat sich auf Spurensuche begeben.
DER ORT
„Hartelijk welkom" in Bedum, einem verschlafenen Nest auf dem flachen Land im Norden Hollands. Wahrzeichen: der schiefe Turm von St. Walfridus. Anzahl der Supermärkte: drei. Zustand vor den Reihenhausfassaden: gepflegt. Knapp 11000 Menschen leben hier. Aus der Luft betrachtet sieht Bedum aus wie ein Fußballfeld: Der „Groningenweg“ markiert den linken Spielfeldrand, die Gleise der Bahnstrecke im Norden stellen die Torauslinie dar, dazwischen schlängelt sich der „Boterdiep"-Kanal im Zickzack von vorne bis hinten durch den Ort. Als markiere er den Laufweg des berühmtesten Sohnes der Stadt: Arjen Robben.
Ganz rechts außen auf diesem Spielfeld - da, wo er auch beim FC Bayern für Furore sorgen soll - wurde Arjen Robben am 23.1.1984 geboren. Das Haus, ein einfaches Reihenhaus aus rotem Backstein, steht noch. Ein paar Meter davor befindet sich ein kleiner Spielplatz, kurz dahinter endet der Ort. Wenn Klein-Arjen aus dem Fenster seines Kinderzimmers blickte, sah er die Kühe beim Grasen.
DER LEHRER
Wer in Bedum etwas erledigen muss, tut das mit dem Fahrrad. Wer etwas einkauft, nimmt sich Zeit für ein Pläuschchen mit dem Verkäufer. Und wer hier wohnt, kennt Wim Heemstra. Seit 35 Jahren unterrichtet der 59-Jährige an der „Togtemaarschool", der Grundschule. Heemstra war Robbens erster Lehrer und ist bis heute ein enger Freund der Familie.
„Arjen konnte als Kind schon fast alles besser als seine Altersgenossen", sagt Heemstra. „Er war Schulmeister im Schach, hat ausgezeichnet Tennis gespielt, war hervorragend im Turnen und ein sehr guter Schüler." Das Einzige, was Arjen nicht lag: „Malen und Singen. Und das Verlieren, das mochte er auch nicht", sagt Heemstra. Das sei heute noch so: „Arjen spielt liebend gerne ’Siedler von Catan’, aber wenn er dabei verliert, wird er richtig sauer."
Arjens Fußballkünste konnte Heemstra schon auf dem Pausenhof bewundern. „Er nahm sich einfach den Ball, dribbelte an allen vorbei und netzte vorne ein. Dann machte das andere Team kurz Anstoß, Arjen schnappte sich wieder das Leder und schoss das nächste Tor."
Führt es nicht zu Neid, wenn man als Kind immer der Beste ist? „Nein, Arjen war sehr beliebt. Wenn er heute nach Bedum zurückkommt, trifft er sich immer mit seinen besten Freunden von früher. Er ist ein sehr bodenständiger Typ.“
Heemstra kennt die Schauplätze von Robbens Jugend wie kaum ein Zweiter. „Sehen Sie die Wiese dort drüben?", fragt er, „es gibt wohl kein Stück Rasen auf der Welt, auf dem Arjen mehr gelaufen ist als auf diesem hier. Jeden Tag nach der Schule spielte er hier stundenlang Fußball.“ Die Wiese, von der Heemstra spricht, ist nicht gemäht, tiefe Furchen durchziehen sie, herabgefallene Äste liegen herum. Die beste Technik bildet sich eben oft unter den widrigsten Bedingungen.
DER VEREIN
Mit sechs Jahren begann Robben, bei der „Voetbalvereniging Bedum" Fußball zu spielen. Jan Potma war einer seiner ersten Trainer. „Arjen hatte schon als Kind alles, was man braucht", sagt der heute 74-Jährige, „Tempo, Technik, Übersicht. Er war ein richtiger Wirbelwind. Das Talent hat er von seinem Vater Hans geerbt.“ Der spielte früher selbst in der zweiten Mannschaft des FC Groningen und arbeitete als Sportlehrer. Während Arjens erster Jahre beim VV Bedum trainierte Hans Robben seinen Sohn teilweise selbst. Heute managt er ihn und ist nebenher für das Johan Cruyff College in Groningen tätig, wo er talentierten Nachwuchssportlern Praktikumsplätze vermittelt. Gemeinsam mit seiner Frau Marjo, die früher ebenfalls Sportlehrerin und eine erfolgreiche Turnerin war, lebt Hans Robben heute noch in Bedum - und geht regelmäßig ins Klubhaus der „Voetbalvereniging". Der einfache Flachbau dürfte für ihn der perfekte Ort sein, um nach einem Besuch in den glamourösen Mega-Arenen, in denen sein Sohn spielt, wieder ins Normaloleben einzutauchen: Die Portion „Bitterballen", holländische Fleischpflanzerl, kostet hier 1,50 Euro, der Tischkicker ist zur Zeit mal wieder defekt und viele Gäste kennen Hans Robben noch aus der Zeit, bevor die Trikots seines Sohnes mit Autogramm versehen an die Wand des Klubhauses gehängt wurden.
DER KLUBCHEF
Arjen Robben zu Bayern? Für 25 Millionen Euro? Ach, komm! Als Edwin van Zanten, Präsident des VV Bedum, den ersten Hinweis bekam, wählte er die Nummer von Arjens Vater Hans. Der befand sich gerade im Auto – auf dem Weg nach München. „Man musste kein Quantenphysiker sein, um zu kapieren, dass es ziemlich ernst sein musste mit dem Wechsel", sagt van Zanten. Am Tag darauf kam die offizielle Bestätigung. Van Zanten schenkte sich ein kühles Bier ein – sein Verein hatte eben 62500 Euro verdient.
Der Grund dafür: eine FIFA-Regel, nach der Vereine, die einen Spieler ausgebildet haben, an zukünftigen Transfers mitkassieren. Durch Robbens Wechsel von Eindhoven nach Chelsea und dann weiter nach Madrid und München hat der VV Bedum über 200000 Euro eingenommen. Damit dürfte der Verein, dessen erste Mannschaft in der 7. Liga spielt, der reichste Amateurklub im Norden Hollands sein. „Jetzt nach dem Wechsel zu Bayern hängt natürlich der halbe Verein an meinem Rockzipfel", sagt van Zanten. „Die Schiedsrichter wollen neuen Pfeifen, die Trainer neue Bälle und die Spieler neue Trikots". Und was will Van Zanten? „Das Geld in die Jugendarbeit investieren". Schließlich soll es irgendwann einen neuen Robben geben.
AUF NACH GRONINGEN
Dass Arjen Robben nicht lange beim VV Bedum bleiben würde, war früh klar. „Arjen hat oft schon in der ersten Halbzeit sieben oder acht Tore geschossen“, erinnert sich ein ehemaliger Teamkollege. „Sein Vater hat ihn dann in der zweiten Hälfte in die Abwehr gestellt, oder er durfte nur noch Tore mit links schießen. Einen Unterschied hat das auch nicht gemacht."
Mit zwölf Jahren wechselte Robben zum FC Groningen. Der 12-Jährige fuhr nun täglich 35 Kilometer mit dem Rad fahren: aus Bedum in die Schule nach Groningen, von dort zum Fußballtraining und danach wieder heim. Die Mühe lohnte sich. Mit 16 Jahren machte Robben sein Profi-Debüt beim FC Groningen. Nur zwei Jahre später ging er zum PSV Eindhoven. 2004 schließlich wechselte der damals 20-Jährige für 36 Millionen Euro zum FC Chelsea – und machte den Präsidenten des VV Bedum zu einem glücklichen Mann. Und nun der FC Bayern – ob die Geschichte noch eine Fortsetzung findet?
Alexander Neumann