Ribérys Renaissance
Die Diagnosen, die van Gaal über den einstigen Sorgen-Kicker ausstellt, fallen neuerdings so aus: „Leiste, Achillessehne, Zähne – alles okay!“ Im Pokal soll der Franzose erstmals wieder glänzen
MÜNCHEN Es war ein Abschiedsspiel, das für Franck Ribéry einen Neuanfang bedeutete. Das Match zu Ehren von Franz Beckenbauer mit Real Madrid als Gegner hatte für den Franzosen mehr als nur Testspiel-Charakter.
Ribéry lief die linke Seite vor der Haupttribüne entlang, als hätte er Stadion und Leute schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Er rackerte, warf sich in Zweikämpfe, trickste und hasardierte mit dem Ball wie lange nicht. Als ihm ein Kunststück misslang, streckte er wie ein Lausbub die Zunge raus, atmetet die Ovationen der Zuschauer in vollen Zügen ein. Le nouveau Ribéry.
Der alte Ribéry ist Vergangenheit. Der aus der letzten Saison: Der Zögerliche, der Verletzungsanfällige. Und der Traurige. Wegen einer Sperre hatte er das wohl größte Spiel seiner Klubkarriere, das Champions-League-Finale gegen Inter Mailand (0:2), nur als Tourist erleben dürfen.
„Isch habe gemacht fünf Jahre mehr“, verkündete Ribéry die Verlängerung seines Vertrages bis 2015 am Tag danach auf dem Rathausbalkon am Marienplatz. Im Grunde war es dieser eine Satz, der in Erinnerung blieb aus seiner dritten Saison in München – kein Tor, keine Vorlage, kein Dribbling. Dabei traf er immerhin im Pokalfinale, auch einmal gegen ManU. Aber eben auch den Knöchel von Lyons Lopez, mit Vehemenz.
Das verlorene Jahr in Zahlen: 19 Ligaspiele, vier Tore, eine Rote Karte und weit mehr Verletzungen und Verfehlungen. Nur in Stichworten: die Sex-Affäre und die WM mit Frankreich.
Neue Saison, neues Glück. Alles auf Null. „Ich glaube, dass es eine Extra-Motivation für ihn ist nach dieser letzten Saison“, meinte Trainer Louis van Gaal am Sonntag. Seit dem 2. August trainiert Ribéry mit der Mannschaft, bereits im Urlaub auf Ibiza hatte er mit extra abgesandten Fitnesstrainern des Vereins die Nachwehen seiner Leisten-Operation weggeschuftet. Nun ist er fit wie lange nicht. Am Montag im Erstrunden-Duell bei Fünftligist Germania Windeck (18 Uhr, Sky live) wird der 27-Jährige wohl über 90 Minuten zum Einsatz kommen.
„Franck geht es sehr gut, ich habe ein sehr gutes Gefühl bei ihm“, erklärte van Gaal, „gegen Real hat er 60 Minuten gespielt. Er wird von uns aufgebaut. Das Wichtigste ist: Franck hat nun keine Verletzung mehr, alle Probleme sind weg. Die Leiste, die Achillessehne, die Zähne – alles okay.“
Van Gaal huschte ein Lächeln übers Gesicht, als er das ausspracht Er weiß noch zu gut, wie er letztes Jahr beinahe jeden Tag Auskunft geben musste über Ribéry Gesundheits- und Fitnesszustand. Nun kann er mit ihm planen – und das nicht mehr nur als Teilzeitkraft. Was umso wichtiger ist, da Arjen Robben mindestens zwei Monate ausfallen wird. Er ist nun das Sorgenkind, Ribéry muss für die kreativen Momente im Spiel der Bayern sorgen.
Van Gaal: „Ich hoffe, dass Ribéry nun die spielerische Rolle, mit der uns Robben im letzten Jahr so geholfen hat, übernimmt.“ Dieses Spielerische, das Leichte – Ribérys Renaissance. Er blödelt wieder mehr, heißt es aus der Mannschaft. Neulich machte er spaßeshalber schon wieder einen auf Busfahrer. Die Saison beginnt. Gute Fahrt, Monsieur! Patrick Strasser