Ribéry: Geliebter Filou, verpönter "Idiot"
Franck Ribéry, Liebling der Bayern-Fans, wurde in seiner Heimat zum „nervigsten Sportler” gewählt. Gegen den DFB will er sich zurück in die Herzen der Franzosen spielen. Lizarazu sieht da große Probleme.
Bremen - Sprühregen. Welch hässliches Wort und nerviger Umstand. „Embrun”, sagen die Franzosen. Typisch Norden die Deutschen. Schmuddelwetter empfing den Tross der französischen Nationalelf am Dienstag in Bremen.
Laurent Blanc und „les Bleus” als Gäste beim EM-Test am Mittwoch (20.45 Uhr, ZDF live) gegen die Deutschen, schlicht die „beste Mannschaft der Welt”, wie der 46-Jährige anmerkte. Blanc hat einen der besten Linksaußen der Welt in seinem Kader: Franck Ribéry. Doch Weltklasse spielt er nur im Bayern-Trikot, wie beim 2:0 inklusive Doppelpack gegen Schalke. Für die Franzosen spielt er so lala. Wenn überhaupt. Das ist das Problem.
„Ganz Frankreich schaut am Mittwoch auf Franck”, sagt Bixente Lizarazu (46), der von 1997 an sieben Jahre den Kraftpaket-Linksverteidiger der Bayern gab und nun das Spiel fürs französische Fernsehen vor Ort begleitet, zur AZ. „Er muss sich jetzt zeigen, er muss kämpfen. Für Ribéry ist das mehr als ein Test”, glaubt Lizarazu, der seinen Landsmann gut kennt, deren Karrieren sich aber weder beim FC Bayern noch in der Nationalelf überschnitten. „Franck ist bei uns nicht der Spieler, der er bei Bayern ist”, sagt Lizarazu und verweist auf den Skandal bei der WM 2010 in Südafrika: der Begriff die „Trümmer von Knysna”, dem Trainingscamp vor Ort, ist in die französische Sportgeschichte eingegangen. Eine Spielerrevolte samt Streik gegen Trainer Domenech mündete in das blamable Vorrunden-Aus.
Seitdem spaltet Ribéry die Fans der „Équipe tricolore”. Für seine Rüpeleien in Südafrika wurde er mit einer Drei-Spiele-Sperre bestraft. Diskutiert wird rund um jedes Länderspiel seine Form und sein Verhalten, also Auftritt und Auftreten. So spielt Ribéry dann auch. Nur kein Fehlpass, nur kein Fehltritt.
Im Nationalstadion von Paris wird er teils ausgepfiffen. Anfang des Jahres wurde er zum „nervigsten Sportler” des Landes gekürt. Bei einer Umfrage einer französischen Zeitung stimmten 69 Prozent für ihn. Zweiter: Karim Benzema von Real Madrid, einer seiner Kumpel. „Franck kann sich nur über gute Leistungen mit seinen Fans in der Heimat versöhnen”, sagt Lizarazu, „die Öffentlichkeit vergisst das nie. Unmöglich, dass er nochmal so beliebt wird wie 2006.”
Ribéry selbst sagte gestern allerdings: „Es wäre so schön, wenn alles wieder wäre wie früher.” Damals glänzte er frech und frei an der Seite von Zinedine Zidane, wurde Vize-Weltmeister. „Er war beliebt, er war das Maskottchen der Mannschaft”, sagt Lizarazu, „danach kam der große Fall.”
2009 ermittelte die französische Polizei gegen ihn im Zuge der Prostituierten-Affäre. „Ich war so ein Idiot wie niemals zuvor”, zeigte Ribéry kürzlich Reue und gestand offen: „Bei der WM war ich eine Niete, das dürfen mir die Leute auch übel nehmen.”
Bei Bayern schützten sie ihren Liebling, verlängerten den Vertrag bis 2015, Trainer Heynckes gewährt ihm seine Freiheiten. Hier geliebter Filou, dort verpönter Idiot.
56 Länderspiele, nur sieben Tore. Keine tolle Bilanz. Der Franzose Valérien Ismael (36), von Juli 2005 bis Dezember 2007 bei Bayern und heute U23-Trainer von Hannover 96, sagt zur AZ: „Ich kann mich an kein wirklich gutes Länderspiel von ihm erinnern, das ist lange her. Seit der WM 2010 lastet ein gewaltiger Druck auf Franck, er ist als schwieriger Typ abgestempelt - auch wegen der privaten Probleme um seine Person." Wie passend, dass die Franzosen am Mittwoch in unschuldigem Weiß antreten. Im Jahr 2011 sind sie ungeschlagen (sieben Siege, sechs Remis), dennoch sind die Fans „immer noch sehr, sehr enttäuscht von ihrer Nationalelf, ja traumatisiert”, so Ismael. Der Ex-Abwehrspieler: „Franck muss jetzt eine Führungsrolle übernehmen, die jüngeren Spieler mitreißen, ihnen helfen. Er ist ein Spieler, der den Unterschied ausmachen kann – nur muss er das auch zeigen im Nationaltrikot." Allein der EM-Titel könnte die Versöhnung mit den Fans bringen.