Ribéry – ein Politikum?
Seine Anwältin glaubt, mit dem Verfahren solle der Bayern-Star für schlechte Leistungen bei der WM bestraft werden. Auch Nerlinger spricht von einer Einmischung der französischen Politik.
Seit Dienstag also darf sich Franck Ribéry als Beschuldigter fühlen. Der Pariser Richter Yves Dando hat ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Es geht um die Frage, ob der Bayern-Star wusste, dass die Prostituierte, auf die er sich 2009 an seinem 26. Geburtstag einließ, zum damaligen Zeitpunkt minderjährig war. Ribéry und die junge Dame bestreiten dies. In Frankreich kann Sex mit Minderjährigen mit bis zur drei Jahren Haft und 45 000 Euro Geldstrafe geahndet werden.
So weit, nur zur Erinnerung, die Fakten.
In der öffentlichen Diskussion nämlich spielen die kaum mehr eine Rolle. Längst verbreitet sich die Vermutung, Ribéry solle für etwas Anderes belangt werden. „Es hat sich seit April nichts geändert am Fall“, sagt etwa Ribérys Anwältin Sophie Bottai, „außer, dass eine WM stattgefunden hat, bei der Ribéry schlecht gespielt hat.“ Frankreich schied in der Vorrunde blamabel aus.
Im Gespräch mit Radio „Europe 1“ legte Bottai nach: „Franck ist bestürzt. Wir fragen uns, ob er als Sündenbock für das Abschneiden bei der WM zahlen soll. Vielleicht ist das Ermittlungsverfahren ein Ersatz für die fehlenden Sanktionen gegen die Equipe nach der WM.“ Man wolle Ribérys Psyche attackieren, „die seit zweieinhalb Monaten extrem destabilisiert“ sei.
Der designierte neue Fußballverbandspräsident Fernand Duchaussoy sagt bereits: „Ich sehe nicht, wie ein Spieler, gegen den ein Anklageverfahren eingeleitet wurde, für das Team Frankreichs nominiert werden kann.“
Es gibt aber auch Menschen, die Ribéry verteidigen. Aimé Jacquet etwa, der französische Weltmeistertrainer von 1998: „Man hat Ribérys Privatleben den Hunden zum Fraß vorgeworfen. Mir wird hier zu viel geheuchelt. Ribéry mag einen Fehler gemacht haben, aber der betrifft nur sein Privatleben."
Auch die Bayern halten zu ihrem Star. „Ich sehe da kein Problem. Franck kommt am Sonntag zurück und soll sich auf den Fußball konzentrieren. Ich bin zuversichtlich, dass sich die leidige Angelegenheit mit dem gestrigen Termin für ihn erledigt hat“, sagte Sportdirektor Christian Nerlinger im Trainingslager am Gardasee. Das Thema hält er für „hochgekocht“. Aber von wem? Nerlinger: „Das Problem ist, dass in Frankreich auch die Politik so massiv in den Fußball drängt nach dieser WM. Sogar der Chef persönlich (Präsident Nicolas Sarkozy, die Red.) kümmert sich mittlerweile um die Equipe Tricolore.“ Der Fall Ribéry – ein Politikum: Die Sex-Affäre könnte also auch eine Staatsaffäre sein.
Filippo Cataldo