Philipp Lahm warnt vor Coming-out und adelt zwei Bayern-Stars

Philipp Lahm würde homosexuellen Fußballprofis davon abraten, sich während ihrer aktiven Zeit in der Öffentlichkeit zu outen. Der frühere Bayern-Kapitän sagt bei der Vorstellung seines neuen Buches: "Es lauern Gefahren, da muss man enorm stark sein." Großes Lob für Neuer und Müller. "Beeindruckend, wie sie vorne weggehen."
von  Maximilian Koch
Philipp Lahm rät homosexuellen Fußballern davon ab, sich während ihrer aktiven Zeit zu outen.
Philipp Lahm rät homosexuellen Fußballern davon ab, sich während ihrer aktiven Zeit zu outen. © Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

München -Es sind die kleinen Dinge, die alltäglichen Rituale, die in der Corona-Pandemie vermisst werden. Philipp Lahm (37) geht es da nicht anders. Er würde gern mal wieder an einem Samstagmorgen ganz früh aufstehen, um seinen Sohn Julian zum Fußball zu fahren, sagte der Ex-Bayern-Kapitän am Mittwoch bei einer Videokonferenz zur Vorstellung seines neuen Buches "Das Spiel: Die Welt des Fußballs". "Jetzt wären die ganzen Hallenturniere", ergänzte Papa Lahm, "schade, das fehlt. Aber es geht gerade nicht anders."

So ist es. Und so macht sich Lahm derzeit eher über die großen Fragen des Fußballs Gedanken als über die Schusstechnik seines Juniors. Ein wichtiges Thema dabei: Homosexualität im Profifußball. Und da hat Lahm eine klare Meinung: Er rät aktiven Spielern von einem Coming-out ab. "Es lauern Gefahren", erklärte Lahm: "Nicht alle werden es für gutheißen, unsere Gesellschaft ist nicht so. Wir haben Social Media. Da muss man enorm stark sein, um das zu verkraften. Darauf will ich hinweisen."

Auch wenn zahlreiche Profis homosexuellen Spielerinnen und Spielern ihre Unterstützung zusichern, sieht Lahm die Zeit zu einem öffentlichen Bekenntnis noch nicht gekommen. Es möge Städte und Vereine geben, wo solch ein Coming-out eher möglich wäre als anderswo, schreibt der Weltmeister, etwa in Berlin, Freiburg oder beim FC St. Pauli. "Aber gegenwärtig schienen mir die Chancen gering, so einen Versuch in der Bundesliga mit Erfolg zu wagen und nur halbwegs unbeschadet davonzukommen."

Hitzlspergers Schritt nach der Karriere sei "lebensklug" gewesen

In seinem Buch, das am 22. Februar im Verlag C.H.Beck erscheint, setzt sich Lahm mit Facetten des Profifußballs auseinander, schreibt auch über Themen wie Depressionen oder Rassismus. Homosexuellen Fußballern empfiehlt er, sich vor einem geplanten öffentlichen Coming-out mit engsten Vertrauten zu beraten.

Er rät davon ab, sich darüber mit Mitspielern zu unterhalten. Grund für Lahms Ratschlag ist die seiner Ansicht nach fehlende Akzeptanz im Fußball und im Umfeld. Der Sportler könne die nötige Reife für diesen Schritt haben und auf die nötige Toleranz in seinem unmittelbaren Umfeld stoßen. "Aber er wird nicht mit der gleichen Reife bei allen Gegnern im Sport und ganz sicher nicht in allen Stadien rechnen dürfen, in denen er antritt", schreibt Lahm.

Als erster prominenter deutscher Fußballer hatte Lahms Auswahlkollege Thomas Hitzlsperger 2014 nach Abschluss seiner Karriere öffentlich gemacht, dass er homosexuell ist. "Mir scheint es lebensklug, dass Thomas Hitzlsperger erst nach Beendigung seiner Laufbahn als aktiver Fußballprofi den Schritt gewagt und seine Homosexualität öffentlich gemacht hat", so Lahm.

Lahm von Neuer und Müller beeindruckt

Von zwei ehemaligen Mitspielern ist Lahm ebenfalls sehr angetan: Manuel Neuer und Thomas Müller. "Diese Kraft immer wieder aufzubringen, die Mannschaft wirklich zu führen, das merkt man auf dem Spielfeld, ist schön zu sehen. Das freut mich einfach", sagte Lahm: "Man sieht einfach, wie sie vorne weggehen." Das sei "exzellent" und beeindrucken.

Zusammen mit Neuer und Müller feierte Lahm viele Erfolge, in Brasilien wurden sie 2014 gemeinsam Weltmeister. Lahm beendete nach dem Titelgewinn seine Nationalmannschaftskarriere, 2017 endete dann seine Profilaufbahn.

Lahm: DFB-Comeback von Müller? Löw soll seinen Weg fortführen

In der öffentlichen Debatte um eine Nationalmannschaftsrückkehr von Müller oder Jérôme Boateng warb er nicht um ein Comeback der früheren Teamkollegen. Bundestrainer Joachim Löw sei der Letzte, der sich keine Gedanken darüber machen würde, sagte Lahm. "Er denkt viel über den Fußball nach, wie kann er die Nationalmannschaft am besten aufstellen. Wir können ihn alle nach dem Turnier daran messen, ob es erfolgreich war oder nicht. Das ist ja das Schöne."

Wenn sich Löw grundsätzlich entschieden habe, einen Weg mit anderen Spieler zu gehen, "soll er ihn fortführen", ergänzte Lahm. "Aber es geht darum, eine erfolgreiche EM zu spielen. "An deren Austragung hat Lahm, der Turnierdirektor der EM 2024 in Deutschland, keinen Zweifel. "Verschieben ist kein Thema, das lässt der Zeitplan nicht zu", sagte er: "Geld spielt da natürlich auch eine Rolle, aber der Fußball gibt uns ein bisschen Normalität." Jene Normalität, die Lahm und viele andere Väter gerade so vermissen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.