Pep Guardiola gegen Lucien Favre: Das Bruder-Duell

Der FC Bayern tritt gegen Mönchengladbach an. Es ist auch die Begegnung zweier Spitzentrainer. „Sie hätten schon dieses Jahr in der Champions League spielen sollen“, adelt Guardiola den Gegner.
München - Sie haben denselben Vater, haben beide von ihm gelernt, wurden von ihm geprägt, sind dank ihm gereift. Und doch haben sich beide vom großen Fußball-Revolutionär Johan Cruyff losgesagt. Jeder auf seine Weise. Pep Guardiola und Lucien Favre sind wie Brüder – nur nicht im Geiste. Jeder ist seinen eigenen Weg gegangen. Wenn sie sich am Sonntag (17.30 Uhr, Sky) wieder begegnen, treffen zwei ähnliche und doch grundverschiedene Fußballideen aufeinander.
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Auf der einen Seite Favre, der Westschweizer, der Créateur einer neuen Borussia aus Mönchengladbach. Der graue Wolf im Fohlenstall, der aus einem Abstiegskandidaten einen Anwärter auf die Champions-League-Plätze geformt hat. Favre, der Verfechter eines überfallartigen Konterfußballs, der die Defensivarbeit liebt. Das kollektive Verschieben der Formation gegen den Ball. Das Flügelspiel ohne Flanken. Das strategische Ausnutzen der Schwächen des Gegners.
„Seine Ideen sind komplett anders als die von Johan Cruyff“, sagt Guardiola. Zwei defensive Mittelfeldspieler, pfeilschnelle Außen, dazu mit Kruse und Raffael zwei bewegliche Stürmer im Zentrum. „Typisch für Lucien Favre“ nennt der Katalane die Spielweise der Fohlen. Das System Favre ist es, das Guardiola so schätzt. Nicht das System Cruyff.
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Guardiola bewundert Favres Arbeit. Seine Wertschätzung schwingt in jedem Satz mit. „Die Borussia ist eine Champions-League-Mannschaft. Normalerweise hätten sie schon dieses Jahr in der Champions League spielen sollen“, adelt er den kommenden Gegner. Kollege Favre bekommt ein Sonderlob. Fast schon einen Ritterschlag. „Ein super Trainer! Ich denke, er kann trainieren, wo er will.“
Seit Februar 2011 trainiert Favre die Borussia vom Niederrhein. Guardiola ist seit knapp über einem Jahr dabei. Sein erstes Spiel in der Bundesliga damals – klar, gegen Favre. „Eine Lektion“, nennt der Katalane den mühsamen 3:1-Erfolg heute. Seitdem hat er das Spiel des FC Bayern zu seinem Spiel gemacht. Stück für Stück. Schritt für Schritt. Mit Rückschlägen, wie den Spielen gegen Real Madrid im Halbfinale der Königsklasse. Mit Überschlägen vor Freude, wie beim jüngsten 7:1 in Rom. „Und dann haben sie sich auch noch den Segen vom Papst geholt“, bemerkte Borussias Abwehrchef Martin Stranzl.
Guardiolas Verschiebebahnhof auf dem Platz fängt hinten an und hört erst ganz vorne auf. Extrem hohes Pressing. Ständiges Rochieren. Kaum zu fassende Positionswechsel. Höchste Flexibilität und Spielintelligenz. Alles basierend auf Ballbesitzfußball, der für Guardiola viel wichtiger ist als für Favre. „Es gibt mehrere Möglichkeiten, gegen Bayern zu spielen“, sagt Favre trotzdem optimistisch. „Wir müssen keine Angst haben. Wir bereiten uns vor, um zu gewinnen.“ Es wäre Favres erster Sieg über Guardiola. Und das im 100. Pflichtspiel zwischen den Bayern und Gladbach, den großen Rivalen der 70er Jahre.
Guardiola weiß um diese Tradition. Er weiß, dass Gladbach den Bayern damals in acht Jahren fünfmal die Meisterschaft wegschnappte. Dreimal davon, als sie mit acht ungeschlagenen Spielen in Folge in die Saison gestartet waren. So wie dieses Jahr. Nicht umsonst stehen für die Bayern die Tage der Wahrheit an.
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„Die nächsten zehn Tage sind die wichtigsten Tage der Hinrunde“, sagt Guardiola mit Blick auf die Spiele gegen Gladbach, den HSV, den BVB und Rom. Im Oktober schon über eine mögliche Vorentscheidung im Kampf um die Meisterschaft zu sprechen, empfindet er zwar als „respektlos“. Doch der 43-Jährige weiß, dass das Duell Symbolcharakter haben könnte. Und das nicht nur für die beiden so ähnlichen und doch so verschiedenen Nachkommen des großen Johan Cruyff.