Ottmar Hitzfeld: "Jede Serie reißt einmal"
AZ: Herr Hitzfeld, Sie haben die Dortmunder und auch den FC Bayern zum Triumph in der Champions League geführt. Wie verfolgen Sie am Mittwoch das Viertelfinale im DFB-Pokal zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund?
OTTMAR HITZFELD: Ganz entspannt zu Hause am Fernsehen. Ich werde das Spiel wie ein Fan genießen, auch wenn ich es natürlich durch Traineraugen sehe. Daher werde ich mir es aufnehmen. Vielleicht notiere ich ein paar Dinge, wenn mir etwas auffällt. Von der Brisanz her ist die Partie ja gleichgestellt mit dem Clasico zwischen Barcelona und Real Madrid.
Und wer gewinnt?
Was mich betrifft: Ich kann nur gewinnen, beide Vereine sind mir ans Herz gewachsen. Die Tagesform wird entscheiden, auf dem Platz geht es um Kleinigkeiten. Es ist ein offenes Duell. Und: Im Pokal kommt nicht immer der Favorit weiter, das lehrt ja die Historie.
Wer ist denn für Sie der Favorit?
Der FC Bayern. Sie spielen unter Jupp Heynckes eine überragende Saison, das 3:1 in der Champions League beim FC Arsenal war souverän herausgespielt. Es passt einfach alles.
Nur die Serie spricht aktuell sehr gegen die Bayern. Die vergangenen sechs Duelle – nur den Supercup im August mal ausgeklammert – konnte man gegen Borussia Dortmund nicht gewinnen. Welche Auswirkungen hat solch eine Serie auf die Teams?
Den Dortmundern gibt es Selbstvertrauen, die Bayern schwächt es jedoch nicht. Höchstens, wenn der BVB in Führung geht, dann wird es gefährlich. Dann beginnen die Bayern-Spieler nachzudenken: Was war da gleich nochmal in der Vergangenheit?
Wenn Sie als Trainer eine Mannschaft coachen, die solch einen Anti-Lauf gegen ein bestimmtes Team hat – was sagen Sie dann in der Mannschaftssitzung?
Als Trainer ignoriert man solche Negativ-Serien, man streift das Thema höchstens, da die Spieler ja von den Medien damit konfrontiert werden. Ich würde sagen: Jede Serie reißt einmal! Es gibt immer eine neue Chance! Irgendwann schafft man den Durchbruch – so sehe ich das auch in diesem Duell.
Spieler nehmen die Gemütslage eines Trainers sehr genau wahr.
Richtig. Als Trainer ist man immer Optimist, das redet man der Mannschaft auch ein. Insofern ist es viel wichtiger, auf die eigenen Stärken hinzuweisen.
Würde eine Pleite der Bayern etwas an der neuen, alten Hierarchie des deutschen Fußballs ändern?
Nein. Pokal bleibt Pokal. Die Meisterschaft ist das Zeugnis einer gesamten Saison und da haben die Bayern dem Rest der Liga ganz klar ihren Stempel aufgedrückt. Andererseits würde eine Niederlage die Bayern schon sehr ärgern.
Was spricht gegen eine Bayern-Pleite?
Diese gewaltige Qualität und diese Tiefe im Kader. Wenn ich an das Spiel bei Arsenal denke: Da konnte Jupp Heynckes einen Robben, einen Gomez, einen Luiz Gustavo einwechseln. Ein Shaqiri kam überhaupt nicht zum Einsatz. Von solch einer Auswahl kann ein Trainer nur träumen.
Sie haben die aktuelle Bayern-Mannschaft mit den Ikonen der 70er Jahre um Beckenbauer, Maier und Müller verglichen.
Ja, es gibt Parallelen. Man muss natürlich auch Titel gewinnen, vor allem die Champions League. Das fehlt der aktuellen Mannschaft noch. Aber die Art und Weise, wie der FC Bayern in dieser Saison spielt und wie viel Substanz sie hat, das ist beeindruckend. Früher hat man eine komplette Saison ja mit 14, 15 Spielern bestritten. Die heutige Mannschaft hat in der Breite noch mehr Qualität als die in den 70er Jahren. Das ist schon phantastisch. Und: Jupp Heynckes hat die Mannschaft im Griff.