Nervige Systemdebatte: Bayern-Coach Nagelsmann wehrt sich gegen Hamanns Kritik

München/Sinsheim - Das süffisante Lächeln war nur die Fassade, seine Antwort zeigte, dass es in Julian Nagelsmann rumorte. Hurra, da war sie wieder, die Systemdebatte.
Natürlich auch zugegen auf der Pressekonferenz in seiner ehemaligen Wahlheimat. Und in dem Stadion, in dem er ab Februar 2016 seine ersten Schritte als Hoffenheim-Trainer, als jüngster Bundesliga-Chefcoach aller Zeiten gemacht hatte. Etwas patzig meinte der 34-Jährige also: "Die Frage kam jetzt zum 1.437. Mal in letzter Zeit - und sie wird auch bei der nächsten Pressekonferenz kommen." Kein Thema, gerne.
Hamann-Kritik: Nagelsmann stellt zu viele Offensivspieler auf
Dazu muss man wissen: Vor der Fragerunde für die Print- und Onlinejournalisten stellen sich die Trainer nach Spielschluss den Rechteinhabern. Bei Sky, ESPN und bundesliga.de sowie bei den Zweitverwertern ARD und ZDF hatte er also schon Auskunft gegeben über seine Taktik, seine Herangehensweise.
Sprich die Aufstellung. All das mündet aktuell immer in eine Systemdebatte, die den Fußballehrer Nagelsmann kolossal nervt. Laut Sky-Experte Didi Hamann hätten die Bayern mit der Dreierkette Benjamin Pavard, Niklas Süle und Lucas Hernández sowie Sechser Joshua Kimmich "nur dreieinhalb defensive Spieler" aufgeboten.
FC Bayern: Nagelsmann setzte zuletzt auf volle Offensive
Dagegen sechseinhalb Offensive: Also den halben Kimmich, der aus der eigenen Hälfte antreibt, der Chipbälle in die Spitze spielt und alle Standards schlägt. Plus Jamal Musiala, zu Beginn seiner Profikarriere Flügelspieler oder Zehner nun ein - zugegeben sehr spielstarker und ballsicherer - Achter vor Kimmich, der jedoch auch den Abschluss sucht.
Der Zirkus Nagelsmann wird komplett durch Offensiv-Freigeist Thomas Müller und Leroy Sané, die sich im Zentrum verdingen, dazu kommen die Schienenspieler Serge Gnabry (über rechts) und Kingsley Coman (über links), von Nagelsmanns Gnaden nun Kilometerfresser. An vorderster Front zieht Toptorjäger Robert Lewandowski seine Kreise.
Offensiver geht's nicht. Zulasten der Absicherung bei Kontern und Umschaltmomenten? Zulasten der Sicherheit und Zu-Null-Zielsetzung?
Nagelsmann zieht Bayern-Stars ins eine Überlegungen mit ein
Hamanns Einwurf konterte Nagelsmann so: "Ich werde das mit dem Didi auch nochmal besprechen, weil ich das ein bisschen ungerecht den Spielern gegenüber finde, wenn man sieht, wie fleißig Serge, King und auch Leroy sind." Der Bayern-Trainer weiter: "Ich versuche, immer Rücksprache mit meinen Spielern zu halten. Und die haben auch die klare Vorstellung, dass das beste Personal aktuell in der Ordnung spielt, so wie wir spielen. Und da gehe ich d'accord."
Blöd für Dayot Upamecano, der bei einer Viererkette in dieselbige rutscht, aber zuletzt wegen des Systems und eigener Patzer meist nur Zuschauer war. Gegenüber Hamann stichelte Nagelsmann: "Vielleicht hat er sich ja früher als sehr offensiven Achter gesehen und hatte keinen Bock auf Verteidigen." Was nicht stimmt.
Nagelsmann verteidigt Gnabry und Coman: "Zwei Weltklassespieler"
Schlaks Hamann war trotz seiner Offensiv-Qualitäten einer, der die meisten Zweikämpfe führte. Zu seiner Zeit bei Bayern (von 1993 bis 1998 absolvierte er 106 Bundesliga-Partien) hatte er aber Kämpfertypen wie Lothar Matthäus, Jens Jeremies oder Thorsten Fink neben sich. Versöhnliche Töne von Nagelsmann gegen Ende des Sky-Interviews gegenüber Kritiker Hamann: "Didi versteht ja auch, dass ich das sage."
Aber: Liegt es am System oder am Spielermaterial, dass Bayern keine nachhaltig erquickende Konstanz ins Abwehrverhalten bringt? Erneut echauffierte sich Nagelsmann: "Ich finde es despektierlich den Spielern wie Gnabry oder Coman gegenüber. Die ganze Welt der Journalisten behauptet, dass die nicht verteidigen können. Das sind zwei Weltklasse-Spieler, da gehört Verteidigen auch dazu, wie sie gezeigt haben."
So bringt man eine Kabine hinter sich...