Nagelsmann überrascht mit Kimmich-Entscheidung

Audio von Carbonatix
Bei Joshua Kimmich und seiner Positionierung auf dem Spielfeld ist es ein bisschen so wie in dem Schunkel-Klassiker, der in Bierzelten gespielt und in Fankurven gesungen wird:
Links, rechts, vor, zurück,
Das macht Spaß, das bringt Glück
Links, rechts, vor, zurück,
Das ist der ganze Trick.
Okay, beim Nationalmannschaftskapitän des DFB geht es nur um (hinten) rechts und die Mitte. Anders als so manche große Partei wählt der 30-Jährige seine Position allerdings nicht selbst. Er wird aufgestellt. Beim FC Bayern in der Mitte, im Zentrum des Spiels, als Sechser. Bei Nationaltrainer Julian Nagelsmann auf der rechten Abwehrseite, so auch bei der Heim-EM 2024. Durchaus mit Erfolg. "Josh war bei der EM von allen Rechtsverteidigern von den Werten der Beste. Er hat 85 Prozent aller Tore in der Nations League auf dieser Position vorbereitet."
Nagelsmann: Brauchen Spieler auf der Sechs, "die im Rhythmus sind"
Und doch – Trommelwirbel und Tusch – wechselt er ab sofort im DFB-Team mit Blick auf die WM 2026 in Nordamerika wieder in die Zentrale. Nagelsmanns Rolle rückwärts bedeutet für Kimmich: Ab in die Mitte. Auf seine Lieblingsposition. Hat es in der Sommerpause ein Gespräch zwischen dem Bundestrainer und seinem Kapitän gegeben? Woher das plötzliche Umdenken?
"Wir werden eine etwas andere Struktur wählen als bei der EM", sagte Nagelsmann am Mittwoch in Leipzig auf dem Internationalen Trainer-Kongress (ITK) und fügte hinzu: "Da passt er gut dazu." Auf die Struktur (etwa eine Abkehr vom 4-2-3-1-System, das oft zum 3-4-2-1-System wurde?) ging Nagelsmann nicht näher ein. Lieber auf Kimmichs Qualitäten im Zentrum. Dort könne er "mehr Einfluss aufs Spiel nehmen", so der 38-Jährige. "Er ist einer von zwei, drei Spielern, die im Klub dort Stammspieler sind. Die Gefahr ist, auf dieser Position zu viel zu gamblen. Wir müssen schauen, dass wir auf dieser Position Spieler haben, die im Rhythmus sind." Weil Kompany in der Zentrale auf Kimmich setzt, anders als etwa Vorgänger Thomas Tuchel, der Kimmich nach hinten schickte.

Goretzka und Pavlovic dürften sich um Platz neben Kimmich duellieren
Sieht Nagelsmann anders und stellt Kimmich, den er rund um die Nations-League-Spiele im Juni (Rang vier nach zwei Niederlagen) als unverzichtbar auf der Rechtsverteidiger-Position bezeichnet hatte, mit Beginn der WM-Qualifikation im September wieder auf die Sechs. Die Chance für Goretzka (30) und Aleksandar Pavlovic (21), die nun nicht nur bei Bayern, sondern auch im DFB-Team um den Platz neben Kimmich kämpfen dürften. Heißt: Wen Kompany bevorzugt, wer mehr Spielpraxis und Rhythmus hat, wird wohl auch bei Nagelsmann auflaufen.
Aufgrund der "Kürze der Zeit" könne er im "Herzstück", sprich im zentralen Mittelfeld, nicht mehr experimentieren, so Nagelsmann. Nach der Qualifikation von September bis November mit sechs Spielen gegen die Slowakei, Nordirland und Luxemburg bleiben im März und Juni jeweils noch zwei Testspiele bis zur WM-Endrunde. Auf der Rechtsverteidiger-Position sind ab sofort alle Türen und Karten offen.
Schult Nagelsmann Gnabry um zum Rechtsverteidiger?
Einer vom FC Bayern? Hier spielt Konrad Laimer, Österreich. Oder Josip Stanisic, gebürtiger Münchner, der jedoch für seine zweite Heimat Kroatien aufläuft. Und Sacha Boey? Hat weder die Qualität noch die Staatsbürgerschaft, ist Franzose. Einen Rechtsverteidiger schnitzen? Gut möglich. Er habe die Fantasie, einen Offensivspieler umzuschulen, meinte Nagelsmann in Leipzig. Dieser brauche Tempo. Also Karim Adeyemi (23) vom BVB? Oder doch ein Bayer: Serge Gnabry (30)? Alternativen gäbe es im Nachwuchs-Bereich: Nathaniel Brown oder Nnamdi Collins (beide Eintracht Frankfurt) oder der Freiburger Max Rosenfelder, die allesamt bei der U21-EM überzeugten.

Die nächste Baustelle, die sich beim DFB auftut, ist die Torhüterfrage nach der Rücken-Operation der Nummer eins Marc-André ter Stegen (33), der beim FC Barcelona noch dazu zum dritten Torhüter degradiert wurde. "In meinen Gedanken weiß ich, dass Marc zurückkommt im Dezember, dann die beiden Spiele machen wird im März, im Juni auch, und dann die WM spielen wird." Klare Ansage von Nagelsmann. Damit Manuel Neuer (39) nicht auf irgendwelche Comeback-Gedanken kommt.