Mit einem blauen Auge: Die Lehren aus dem Bayern-Sieg in Wiesbaden

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Um kurz vor Mitternacht, als die beiden Mannschaftsbusse des FC Bayern schon die Motoren zur Abfahrt gestartet hatten, konnte Harry Kane wieder lächeln. Klar – es war ja am Ende doch noch alles gut gegangen, trotz des ersten verschossenen Elfmeters des Engländers in einem Pflichtspiel seit 2022.
Kane stand im engen Kabinengang der Wiesbadener Brita-Arena für ein Foto mit den Kindern des gegnerischen Trainers parat, schüttelte ein paar Hände und schrieb Autogramme. Dann war der Arbeitstag beendet. So turbulent hatten sich Kane und Co. den Trip nach Hessen sicher nicht vorgestellt – schuld waren sie selbst.
Kanes seltenes Missgeschick vom Elfmeterpunkt
"Irgendwann musste es mal passieren. Es war einer dieser Tage", sagte Kane zu seinem seltenen Missgeschick in der 76. Minute: "Der Keeper hat auch eine wirklich gute Parade gezeigt. Außerdem ist es immer ein wenig tricky, zwei Elfmeter in einem Spiel zu schießen."
Wehen-Torhüter Florian Stritzel wehrte Kanes Schuss ins linke Eck überragend ab – und ließ den Drittligisten beim Stand von 2:2 endgültig von der Sensation träumen. Zuvor hatte Fatih Kaya (64., 70.) die 2:0-Führung der Münchner durch Kane (16., Foulelfmeter) und Michael Olise (51.) egalisiert. In der Nachspielzeit war es dann aber erneut Kane, der Bayern in die zweite Runde köpfte. Und mit einem blauen Auge davonkommen ließ.

"Natürlich hätten wir uns das ein bisschen souveräner gewünscht", sagte Joshua Kimmich. "Wir wissen, dass wir selbst daran schuld sind, dass es noch einmal spannend wurde."
Sportdirektor Christoph Freund fand ebenfalls kritische Worte. "Natürlich dürfen wir ein 2:0 nicht so einfach aus der Hand geben, schon gar nicht bei einem Drittligisten. Das macht mir jetzt zwar keine Sorgen, war aber völlig unnötig", sagte der Österreicher: "Wir haben zweimal nicht aufgepasst, vielleicht einen Gang zurückgeschaltet und sind nicht mehr so in die Zweikämpfe gegangen. Und auf einmal steht es 2:2. Am Ende haben wir Charakter gezeigt."
Defensive Schwächen des FC Bayern
Bei den Gegentoren sahen die Innenverteidiger Jonathan Tah und Minjae Kim ganz schlecht aus, Wehen Wiesbaden hatte auf solche Fehler in Kontersituationen spekuliert. "Wir wussten, dass sie eins gegen eins spielen über den ganzen Platz", sagte Doppeltorschütze Kaya. Und wenn das Pressing dann misslingt, bekommt auch ein Drittligist seine Chancen. Der FC Augsburg, Bayerns nächster Kontrahent am Samstag (18.30 Uhr), dürfte genau hingeschaut haben.

Immerhin verhinderten die Münchner, die erstmals seit 2020 wieder ins Pokalfinale einziehen wollen, eine ähnliche Blamage wie vor zwei Jahren, als sie in der zweiten Runde beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken verloren. "Wichtig war es, dass wir die Ruhe bewahrt haben. In Saarbrücken haben wir hinten raus den Kopf verloren und sind ausgeschieden. Ich bin froh, dass wir dieses Mal geduldig geblieben sind", sagte Kimmich.
Eine richtige Erklärung für den "Blackout", wie Trainer Vincent Kompany die zwei Gegentore bezeichnete, konnte allerdings niemand bei Bayern liefern. Und so blieb letztlich der Dank an Erlöser Kane, für den zuvor eine beeindruckende Serie zu Ende gegangen war. Zuletzt hatte der Torjäger bei der WM 2022 im Viertelfinale gegen Frankreich nicht getroffen vom Elfmeterpunkt, danach versenkte er in Wettbewerbsspielen 31 Strafstöße in Serie. "Ich würde sagen, der war nicht schlecht geschossen", meinte Kimmich: "Den hat der Torwart einfach sehr gut gehalten." Definitiv.
Stritzels Vorbereitung auf Kanes Elfmeter zahlt sich aus
Übrigens: Keeper Stritzel wusste genau, was er da tat. Er hatte Kanes Strafstöße im Vorfeld präzise analysiert. "Ich bin das mit meinem Torwarttrainer ein paar Mal durchgegangen – und genau den Ball haben wir mehrmals trainiert, weil ich weiß, wenn der Harry Kane schießt, dann muss man mit maximaler Spannung in die Ecke gehen und ein bisschen Glück haben, dass er dorthin schießt", sagte der 31-Jährige.
Stritzel war einer der Helden dieses Pokalabends. Kane dürfte sich noch einige Zeit an ihn erinnern.