Mick Jagger, Andy Warhol, Muhammad Ali und Pelé: Das war die "schönste Zeit" für Franz Beckenbauer
München, die späten 1970er Jahre. In den Musicland-Studios im Keller des berühmten Arabella-Hochhauses erfindet Giorgio Moroder gerade die elektronische Tanzmusik. Und Freddie Mercury, der exaltierte Queen-Frontman, macht mit seinem Umzug an die Isar aus dem bayerischen Weltdorf endgültig die berühmte Weltstadt mit Herz.
München ist zu dieser Zeit auf seine ganz eigene Art und Weise cool – und wer würde in dieses besondere Umfeld besser passen als der Inbegriff einer neuen deutschen Lässigkeit: Franz Beckenbauer.
Franz Beckenbauer: Mit 32 Jahren kickt er in Amerika mit Pele und Cruyff
Aber der 32-Jährige hat damals andere Pläne. Aus dem letzten deutschen Kaiser wird nun der "King of Cool". Nicht ganz freiwillig – in Deutschland machen ihm die Steuerfahndung und Eheprobleme zu schaffen – siedelt er im gesetzteren Fußballer-Alter in die USA über und spielt ab sofort für Cosmos New York. Dort kickt er zusammen mit Weltstars wie Pelé oder Johan Cruyff, die bereits zuvor in die amerikanische Operettenliga gewechselt waren.
"Mit Pelé zu spielen, war immer mein Traum", begründet er seinen Wechsel, doch das ist nur die halbe Wahrheit. Das Finanzamt stellt Steuerforderungen in Millionenhöhe, da kommt das "sehr, sehr gute" Angebot (sieben Millionen Dollar für drei Jahre) gerade recht.
Zumal er jenseits des Teichs offen seine Beziehung mit der Münchner Sportfotografin Britta Sandmann ausleben kann, für die der Familienvater Beckenbauer daheim mächtig kritisiert wurde.
Franz Beckenbauer wird zum Popstar in den USA
Sportlich ist der "Kaiser", wie sie ihn auch in den USA ehrfurchtsvoll nennen, freilich völlig unterfordert. Aber hier im Big Apple in direkter Nachbarschaft der ganz Reichen und ganz Schönen und vor allem ganz Berühmten verwandelt sich der begnadete Fußballer Beckenbauer in kürzester Zeit in Franz, den Popstar. In einen Mann von Welt, der selbstsicher einen Tisch bestellen kann im damals angesagtesten Club des Planeten, dem legendären Studio 54, dessen Konterfei Andy Warhol als Porträt verewigt – und der eben nebenbei auch noch außerordentlich gut kicken kann.
Einmal sitzen Beckenbauer und Pelé in der Kabine von Cosmos verschwitzt vor ihrem Spind, als plötzlich ein dürres Kerlchen durch die Szenerie stolpert. Wer ist der Typ? "Ich wusste bloß", sagte Beckenbauer, "der ist auf Drogen." Der? Kein Geringerer als Mick Jagger.
Mit dem Frontman der Rolling Stones tanzt Beckenbauer später bei den legendären Montags-Partys im 54. In Amerika trifft er Legenden wie Muhammad Ali, spaziert mit Hollywood-Star Robert Redford durch den Central Park und widersteht den Avancen des homosexuellen Ballett-Stars Rudolf Nurejew, der zu jener Zeit in New York im selben Hochhaus wohnt.
Bei einem gemeinsamen Ausflug der beiden nach Brooklyn erklärt Beckenbauer dann seinem berühmten Nachbarn in typischer Kaiser-Manier: "Rudolf, bevor du jetzt näher an mich ranrückst – ich bin von einer anderen Fakultät!"

Bayern-Präsident Beckenbauer hilft, den Verein zum Weltkonzern mit eigenem Stadion umzubauen
Die Zeiten von 1977 und 1980 – sowie noch mal für fünf Monate 1983 – sind für Beckenbauer prägend. "Nach New York zu gehen war die beste Entscheidung meines Lebens", sagte er später über die "schönste Zeit". Dass er wegen der DFB-Statuten nicht mehr in der Nationalelf auflaufen darf, nimmt er in Kauf.
Denn aus dem ziemlich deutschen Superstar, aus dem Kapitän des FC Bayern, aus dem Weltmeister von 1974, der zwar im Fußball weltweites Ansehen genießt, der aber hierzulande noch für Fertigsuppen ("Kraft in den Teller – Knorr auf den Tisch") wirbt, wird erst im Land der unbegrenzten Möglichkeiten der Weltmann Beckenbauer. Sein Auftreten ist kosmopolitisch. Er trägt Pelzmäntel und auch mal Schnurrbart, besucht nun die Bayreuther Festspiele und den Wiener Opernball.
Als Präsident hilft er, den FC Bayern vom Verein zum Weltkonzern mit eigenem Stadion umzubauen. Als weltgewandter Diplomat im Dienste der WM 2006 reist in alle 31 Teilnehmerländer und beschert Deutschland das berühmte Sommermärchen. Ob bei Prinzessin Takamado in Japan, Papst Benedikt XVI. in Rom oder den Aborigines in Australien – er tritt überall getreu dem Motto seiner Mutter Antonie auf: Hautfarbe, Konfession, sexuelle Orientierung – alles egal: "Es zählt nur der Mensch."
Allerdings: In die Weltstadt mit Herz wird Beckenbauer nie mehr so ganz zurückkehren. Während Mercury 1985 der Isar den Rücken zuwendet und es Moroder von Bogenhausen schon längst nach Los Angeles verschlagen hat, zieht es den Kaiser zuerst nach Hamburg, später in seine Wahlheimat Österreich nach Kitzbühel und ab 2005 bis zu seinem Tod am 7. Januar nach Salzburg.
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