Martí Perarnau über Pep: „Wir sind Freunde geworden“

Für sein Buch „Herr Guardiola“ hat der spanische Journalist Martí Perarnau ein Jahr lang den Trainer des FC Bayern begleitet. Hier spricht er über Pep, dessen Philosophie und den Tiki-Taka-Hass.
Patrick Strasser |
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Perarnau und Guardiola an der Säbener Straße.
ho Perarnau und Guardiola an der Säbener Straße.

AZ: Señor Perarnau, wer kam auf die Idee, Ihr Buch über das Jahr eins von Pep Guardiola beim FC Bayern „Herr Guardiola“ zu nennen?

MARTÍ PERARNAU: In Spanien nennt man ihn nur „Pep“. Daher lautet der Titel der spanischen und katalanischen Version „Herr Pep“. Hier in Deutschland fiel mir gleich auf, dass die Journalisten ihn immer höflich mit „Herr Guardiola“ ansprechen.

Sie haben Pep und den FC Bayern ein Jahr begleitet. Ihr Buch, das nächste Woche erscheint, ist eher Dokumentation des Arbeitsalltages denn Biographie.

Richtig. Ich habe in der letzten Saison etwa 200 der insgesamt 279 Trainingseinheiten gesehen, die Hälfte der 56 Spiele live im Stadion, den Rest im TV

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ie waren der Mann im Gartenstuhl.

Ja, der „in the corner“, der in der Ecke. Auch bei den geheimen Übungseinheiten, für Medien und Fans geschlossen, durfte ich neben dem Kabineneingang in einem Stuhl sitzen. Als stummer Beobachter.

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Mit Kamera und Notizblock.

Nein, das wollte ich nicht. Pep hatte mir das Vertrauen geschenkt, er und der FC Bayern haben das Projekt akzeptiert. Also wollte ich für wenig Aufsehen sorgen, nichts und niemanden stören. Ich habe mir alles gemerkt, bin schnell ins Hotel und habe all meine Gedanken und Beobachtungen niedergeschrieben.

Sie haben über das ganze Jahr im Hotel gewohnt?

Ich wollte zunächst für meine Frau Loles und mich eine Wohnung mieten. Doch sie hatte – wie immer – die bessere Idee. Und so verbrachte ich jeden Monat etwa zehn, zwölf Tage in München und flog dann wieder zurück nach Madrid. Loles und meine Kinder kamen mich hin und wieder besuchen. Meine Frau hatte Recht. Dadurch, dass ich nicht jeden Tag bei Pep und den Bayern war, bekam ich etwas Distanz. Es ist wie mit Kindern: Wenn du sie jeden Tag aufwachsen siehst, erkennst du die Entwicklungsstufen nicht so gut wie ein Onkel, der alle paar Wochen vorbeikommt. Manchmal fragte mich einer von Peps Assistenten: „Hey, Martí, du bist wieder da. Was denkst du über diesen Spieler?“

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Die Trainingseinheiten und Spiele waren das eine, die Gespräche mit Pep für Sie aber sicher wichtiger.

Ja. Wir haben uns jeden Tag unterhalten, mal fünf Minuten, mal eine Stunde oder länger. Wie es eben gepasst hat, ich habe mich nicht aufgedrängt. Entweder in seinem Trainerzimmer an der Säbener Straße oder im Restaurant, aber nie zu Hause bei seiner Familie. Das war für mich tabu.

Pep gibt keine Einzelinterviews, wirkt unnahbar. Sie lebten den Traum eines Vereinsreporters. Der Blick hinter die Kulissen, Kamingespräche, geheime Übungseinheiten. Haben Sie immer die Aufstellung gewusst?

Na ja, öfter. Und wenn, konnte ich es ja nicht verraten, das hätte mein Buchprojekt zerstört. Schon zu Beginn, im Juli 2013, hat mich Pep getestet: Während des Trainingslagers im Trentino erzählte er mir, dass Thiago von Barcelona zu Bayern kommen werde. Einfach so. Ich dachte: Wahnsinn, Thiago! Ich habe es nicht mal meinem Sohn erzählt. Erst eine Woche später sagte er in einer Pressekonferenz den berühmten Satz: „Thiago oder nix!“ Ich war erleichtert, weil ich nun nicht mehr dieses Geheimnis mit mir herumtragen musste.

Es heißt, Guardiola sei unberechenbar – ganz bewusst auch für seine Spieler. Die Aufstellung erfahren seine Jungs oft erst auf der Busfahrt vom Hotel ins Stadion.

Richtig. Ich habe für mich selbst ein kleines Spiel gemacht an den Abenden vor den Partien. Ich notierte meine Vorhersage der Aufstellung. Über das Jahr wurde ich immer besser.

Sie kannten Pep von Ihrem ersten Buch über die Barça-Jugendschule „La Masia“ (2010) und sind mit seinem engsten Vertrauten und Berater Manel Estiarte befreundet. Was haben Sie während Ihrer Pep-Studie denn Neues an ihm entdeckt?

Zwei Dinge: Er ist ein guter Kerl, keine Spur von Arroganz. Und zweitens: Er ist wie er ist, sehr ehrlich und direkt – kein Schauspieler wie andere große Trainer. Womöglich bräuchte er ein größeres Schutzschild.

Können Sie seine Spielphilosophie in wenigen Worten erklären?

Er will den Ball haben und den Gegner dominieren.

In Ihrem Buch sagt Pep: „Wir müssen die Organisationsstruktur des Gegners durcheinanderbringen. Immer. Das ist unser Ziel.“

Und er hasst Tiki-Taka, sich den Ball einfach nur zuzuspielen. Ich zitiere aus dem Buch: „Das ist dummes Zeug und führt zu nichts. Man muss den Ball in einer bestimmten Absicht in den eigenen Reihen halten, in der Absicht nämlich, vors gegnerische Tor zu kommen und Schaden anzurichten.“

Kein Tiki-Taka, das Erfolgsmodell Barcelonas und der spanischen Nationalelf?

Nicht das sinnlose Passen des Balles. Anfangs, bei einem Match im August 2013 gegen Nürnberg, machten seine Spieler das: hin und her, quer und zurück. Sie wollten brave Schüler sein, sie verstanden ihn noch nicht. Für Pep war es einer der Schock-Momente des ersten Jahres, neben dem 0:4 im zweiten Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid.

Sein bestes, nahezu perfektes Spiel?

Das 3:1 bei Manchester City im Herbst, die zweite Halbzeit beim 2:0 in Arsenal im Frühjahr. Wundervoll. Totale Kontrolle, schnelle Pässe und Spielverlagerungen. Und noch eine Partie, eine Niederlage.

So? Welche denn?

Das 0:1 bei Real. Bayern war sehr gut, dominant – im Bernabéu! Nur die Tore haben leider gefehlt.

Leider? Sind Sie nun Bayern-Fan?

In diesem Jahr war ich kein Journalisten, also musste ich einmal nicht neutral sein. Ja, ich habe mich bei Siegen für Bayern und Pep gefreut. Wir sind Freunde geworden.

Wäre es für ihr Buch denn nicht besser gewesen, er hätte den Triple-Gewinn wiederholt – oder wäre gar entlassen worden?

Es ist so, wie es ist. Das Leben ist immer Komödie und Tragödie. Und das Buch dokumentiert ein Jahr im Leben des FC Bayern.

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