Luiz Gustavo im Interview: "Alles für Mama"

Hier spricht Luiz Gustavo über seine Heimat, seine Familie, wieso sein Vater nicht mehr arbeiten muss – und den Wunsch, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen.
von  Abendzeitung
Gustavo: "Mein Spitzname ist Guga. Es bedeutet - eigentlich nichts."
Gustavo: "Mein Spitzname ist Guga. Es bedeutet - eigentlich nichts." © dapd

Hier spricht Luiz Gustavo über seine Heimat, seine Familie, wieso sein Vater nicht mehr arbeiten muss – und den Wunsch, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen.

AZ: Luiz Gustavo, Sie haben keinen Dolmetscher mitgebracht. Das heißt: Wir können das Interview komplett auf Deutsch führen?

LUIZ GUSTAVO: Ja, wir versuchen es. Ein paar Worte verstehe ich vielleicht nicht.

Kompliment. Ohne Namen zu nennen – andere Brasilianer, die bei Bayern gespielt haben, konnten sich auch nach Jahren kaum verständigen.

Als ich 2007 nach Hoffenheim gekommen bin, hatte mir der Verein sofort eine Lehrerin besorgt. Für mich war es sehr wichtig, die Sprache zu lernen. Ich war meistens alleine zu Hause, habe auch über das Fernsehen Deutsch gelernt.

Eine Maßgabe von Trainer Louis van Gaal ist: In der Kabine wird Deutsch gesprochen. Kann Ihnen Ihr Landsmann Breno etwas helfen?

Klar, wir sprechen Portugiesisch, manchmal versuchen wir Deutsch. Er kann es schon ganz gut, traut sich nur noch nicht so recht.

Wann bekommen Sie Besuch aus der Heimat?

Meine Oma Irondina kann leider nicht kommen, sie ist zu alt. Wenn ich nach Hause komme, kocht sie mir immer mein Lieblingsessen Feijão, das ist eine Portion Bohnen, meist mit Fleischbeilage. Aber sie schaut alles an, das Bremen-Spiel kam live im brasilianischen Fernsehen. Sie ist dann sehr nervös, wir telefonieren anschließend. Mein Bruder hat zwei Kinder, das ist schwierig – aber mein Vater wird mich bald besuchen.

Und Ihre Freundin?

Milene studiert. Wenn Sie in ein paar Monaten Ferien hat, wird sie kommen.

Wegen der Aufenthaltsgenehmigung?

Ja, wir müssten erst heiraten.

An Weihnachten haben Sie Ihre Freundin mit der Verlobung überrascht, gibt es neue Geheimpläne?

Nein, das hat Zeit. Aber wenn, wollen wir in Brasilien heiraten.

Erzählen Sie uns, wie Sie aufgewachsen sind in Pindamonhangaba.

Das liegt rund 90 Minuten von Sao Paulo entfernt. In Brasilien will jedes Kind Fußballer werden. Als ich sechs Jahre alt war, bin ich jeden Tag mit den anderen Kindern raus auf die Straße, einfach kicken. Mit elf, zwölf Jahren wollte ich noch nicht in einen Verein, ich war zu jung, konnte nicht ohne meine Familie sein, habe sie vermisst. Dann bin ich wieder nach Hause zurück.

Und warum wurden Sie dann doch Profi?

Wegen meiner Mutter. Mit 16 ist Mama (Mariane, d. Red.) gestorben. Sie hat immer davon geträumt, dass ich Fußball-Profi werde. Dann habe ich mir gesagt: Okay, du musst das jetzt schaffen. Ich wollte es für sie schaffen. Also bin ich weg von daheim, weit weg – mit dem Flugzeug waren das dreieinhalb Stunden. Als ich 19 Jahre alt war, habe ich in der zweiten Liga in Brasilien bei Club de Regatas Brasil gespielt und wurde dann von Hoffenheim ausgeliehen.

Was hat Ihnen damals die TSG Hoffenheim gesagt?

Natürlich nichts. Aber Europa ist Europa. Ich war sehr zufrieden.

Aber Sie kannten den FC Bayern und seine Brasilianer wie Lucio, Zé Roberto, Sergio, Elber. Wer ist Ihr Vorbild?

Ronaldo war mein Vorbild als Kind. Auch als Mensch. Er hat immer arme, schwache Menschen unterstützt. Das mache ich auch. Mein Vater und ich unterstützen Familien, denen es nicht so gut geht.

Sie tun nicht nur fremden Menschen Gutes, auch Ihrem Vater Luiz Antonio.

Ja. Er hat in einer Firma sehr hart gearbeitet. Vor etwa drei Jahren habe ich gesagt: Nein, Papa, ab jetzt musst du nicht mehr arbeiten. Er hat sein ganzes Leben für mich und meinen Bruder geschuftet.

Warum haben Sie eigentlich keinen Kurznamen, wie etwa Pelé oder Lucio?

Mein Spitzname ist Guga – das bedeutet eigentlich nichts, schon als kleines Kind wurde ich so genannt. Meine Oma sagte: Gu.

Breno hat von Selecao-Coach Mano Menezes eine Einladung für den Test am 9. Februar in Paris gegen Frankreich erhalten. Sie haben bekundet, auch für die deutsche Nationalelf spielen zu wollen. Geht es darum: Welcher Trainer ist schneller?

Nein, so ist es nicht. Ich bin Brasilianer und möchte für mein Land spielen. Das sagt mir mein Herz, das ist normal. Aber ich fühle mich in Deutschland auch wohl, das Land hat mir viel gegeben. Ich könnte mir vorstellen, für die deutsche Mannschaft zu spielen – meine Familie oder Freunde wären nicht traurig. Sie verstehen meine Gefühle.

Was möchten Sie beim FC Bayern erreichen?

Ich will alles geben für die Mannschaft – egal, auf welcher Position, ich will nur helfen. Wir wollen den zweiten Platz sichern, die Champions-League erreichen. Wir versuchen, bis zum Ende der Saison möglichst jedes Spiel zu gewinnen. Wenn ich hier gut spiele, kommt hoffentlich alles von alleine.

Interview: Patrick Strasser

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