Liverpool kriselt, Bayern fliegt: Hat sich Florian Wirtz verwechselt?
Ob sich Florian Wirtz damit wirklich einen Gefallen getan hat? "Ich will etwas ganz Neues machen, raus aus der Bundesliga und rein in die Premier League", begründete der 22-Jährige seinen Wechsel zum FC Liverpool Mitte Juni. Dreieinhalb Monate ist das mittlerweile her, von der damaligen Begeisterung über sein Insel-Abenteuer ist nur noch wenig übrig.
Zehn Spiele, kein Tor und nur eine einzige Vorlage stehen für den jungen Nationalspieler seither zu Buche. Viel zu wenig für den Mann, den sich der englische Meister satte 140 Millionen Euro kosten ließ, um ihn zum Herzstück einer runderneuerten Mannschaft zu machen. Insgesamt ließen sich die Reds den Umbruch mehr als 480 Millionen Euro kosten. Noch passen die Puzzleteile aber nicht zueinander, zuletzt wurden drei Spiele am Stück verloren.
Darum entschied sich Wirtz zu einem Wechsel nach Liverpool
Auch Wirtz fremdelt bislang merklich mit der neuen Umgebung. Noch immer ist er auf der Suche nach seinem Platz im System von Trainer Arne Slot. Dabei war es ausgerechnet der Niederländer, der ihn im persönlichen Gespräch von einem Wechsel nach Liverpool überzeugte und so dafür sorgte, dass sein Klub den ebenfalls interessierten und zahlungswilligen FC Bayern ausstach.
Der Trainer "hat seine Spielphilosophie, die Mannschaftstaktik im Ballbesitz und Pressing vorgestellt und wie Florian darin seine Stärken entfalten kann. Das hat Florian entscheidend beeindruckt", erzählte Hans Wirtz, Vater und Berater des Nationalspielers, gegenüber dem "Spiegel". Zu sehen ist davon noch wenig bis nichts.
England-Legende Rooney: Wirtz macht Liverpool schlechter
Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sich die für gewöhnlich äußerst kritischen TV-Experten von der Insel mit einem Knallhart-Urteil zu Wort melden. "Er ist einfach überhaupt nicht auf der Höhe", sagte etwa Liverpool-Legende Jamie Carragher. Im Moment stimme die Balance in der Mannschaft nicht, und der deutsche Nationalspieler sei der offensichtlichste Fall. Es sei besser, ihn vorerst auf die Bank zu setzen, meinte der Champions-League-Sieger von 2005.
Ex-Nationalspieler Wayne Rooney ging sogar noch weiter. Er ist gar der Meinung, Wirtz habe Liverpool schlechter gemacht. "Es war eine Menge Geld, das Liverpool für ihn bezahlt hat, und ich glaube, dass Wirtz tatsächlich das Gleichgewicht von Liverpool und deren Spielweise beeinträchtigt. Ich sehe nicht, wie er dort ins System passen sollte."

Hätte Wirtz beim FC Bayern besser funktioniert?
Rückblickend ist es freilich müßig, darüber zu spekulieren, ob ein Wechsel zum FC Bayern, der über Monate hinweg öffentlich um den offensiven Mittelfeldspieler gebuhlt hat, nicht die bessere Entscheidung für Wirtz gewesen wäre. Der Rekordmeister hat im Sommer auf einen großen Umbruch verzichtet und sich lediglich punktuell verstärkt, was sich nun auszahlt. Das Team von Trainer Vincent Kompany spielt in dieser Saison wie aus einem Guss und begeistert mit spektakulärem Offensivfußball.
Die zwischenzeitlich aufgekommenen Diskussionen darüber, wie das Zusammenspiel und die Raumaufteilung mit Jamal Musiala laufen würde, hätten sich nach dessen Verletzung bis zum Jahresende ohnehin erledigt. Stattdessen hätte Wirtz bei den Bayern in einer ihm bekannten Liga auf seiner Paradeposition im offensiven Mittelfeld spielen und im Wechselspiel mit dem umtriebigen Harry Kane – wie in Leverkusener Zeiten erfolgreich praktiziert – auch immer wieder in gefährliche Abschlusssituationen kommen können. Genau jene Stärke des 22-Jährigen kommt in Liverpool bislang überhaupt nicht zum Tragen.
Schweinsteiger und Lahm stärken Wirtz: "Wird uns alle noch verzücken"
Immerhin: Aus Deutschland bekommt der 22-Jährige inmitten seiner Schaffenskrise prominente Rückendeckung. "Wir sollten froh sein, dass wir so einen Spieler in Deutschland haben. Wir müssen dem Spieler ein bisschen Zeit geben", sagte Bayern-Legende Bastian Schweinsteiger am Rande seiner Aufnahme in die "Hall of Fame" des deutschen Fußballs im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Wirtz sei ein "fantastischer Fußballer" und "toller Charakter", sagte Schweinsteiger weiter.

Derselben Meinung ist Philipp Lahm. "Um Florian Wirtz mache ich mir überhaupt keine Sorgen", sagte Lahm, DFB-Kapitän beim WM-Triumph 2014 in Rio de Janeiro: "Qualität und Klasse setzen sich immer durch. Und das wird bei Florian Wirtz absolut der Fall sein." Auch Schweinsteiger, der einst ebenfalls aus der Bundesliga in die Premier League zu Manchester United gewechselt war, ist sich sicher: "Er wird uns alle mit Sicherheit in der Zukunft noch verzücken."