Kopierer Klinsmann und sein Patchwork-Projekt

„Das hat kein Real Madrid, kein Barcelona. Da sind wir echt stolz drauf“, so Klinsmann. 2000 Quadratmeter Erlebniswelt – Was sich der Trainer für sein Leistungszentrum im Ausland abgeschaut hat – und was nicht.
von  Abendzeitung
Training kann so viel Spaß machen, Jürgen Klinsmann freut sich: „Was wir hier haben, hat kein Klub der Welt.“
Training kann so viel Spaß machen, Jürgen Klinsmann freut sich: „Was wir hier haben, hat kein Klub der Welt.“ © Bongarts/Getty Images

„Das hat kein Real Madrid, kein Barcelona. Da sind wir echt stolz drauf“, so Klinsmann. 2000 Quadratmeter Erlebniswelt – Was sich der Trainer für sein Leistungszentrum im Ausland abgeschaut hat – und was nicht.

MÜNCHEN Laufwege sind das A und O des Fußballprofis. Damit er weiß, wie er von A nach B kommt. Im Taktiktraining wird das immer wieder geübt.

Bei den Laufwegen im neuen Leistungszentrum des FC Bayern ist das ein bisschen anders. Da sind die Profis zum Einstand ein Mal herumgeführt worden im Neubau. Noch sitzen nicht alle Laufwege so richtig. „Es ist schwierig, sich in den neuen Räumlichkeiten zu orientieren und alles zu finden“, sagte Abwehrspieler Daniel van Buyten.

Wird schon noch. Vielleicht können sich die Spieler vorerst die aufgestellten Buddhas als Koordinaten nehmen, wenn sie sich verlaufen in der Spieler-Oase des FC Bayern, die Jürgen Klinsmann, der Initiator des Ganzen, für einmalig hält. „Das hat kein Real Madrid, kein Barcelona. Da sind wir echt stolz drauf“, sagt er. 2000 Quadratmeter Erlebniswelt – für die Klinsmann fleißig kopiert und geklaut hat.

Sommertrainingslager abgeschafft

Er hat ja viel erlebt bei seinen Auslandsstationen als Spieler. Bei Inter Mailand und Sampdoria Genua in Italien, bei Tottenham in England und beim AS Monaco in Frankreich. Trainingszentren, Trainingsmethoden – Klinsmann selektierte. So schaffte er etwa das traditionelle Sommertrainingslager bei Bayern ab, geschuftet wird an der Säbener Straße. Auch wegen Giovanni Trapattoni, der früher in Mailand mal Klinsmanns Trainer gewesen ist. „Als ich bei Inter war, haben wir einmal ein dreieinhalbwöchiges Trainingslager absolviert“, erzählte Klinsmann, „nicht weit weg von Mailand, dennoch hatten wir nur einen einzigen Nachmittag frei. Da läufst du gegen die Wand.“

Damit das nicht passiert, wurde umstrukturiert und umgebaut an der Säbener. Die Ruheräume der Ganztagesstätte hat Klinsmann Player-Lounges von Klubs der US-amerikanischen Football-League NFL oder US-Basketball-Liga NBA nachempfunden. Auch in England und Italien informierte er sich, bei Ex-Klub Inter oder Stadtrivale AC mit dem wegweisenden Laptop Milan-Lab, einem unterirdischen Forschungszentrum für Bioanalytik: Dort werden alle Körperdaten der Spieler erfasst – etwa Skelett- und Gebisszustand, Beweglichkeit der Augen, Blut- und Urinwerte. Wenn alle Umbauten abgeschlossen sind, wird eine Praxis auf dem Bayern-Trainingsgelände eröffnet. Der Startschuss fürs Bayern-Lab?

Neue Ideen?

Klinsmann glaubt, dass er eine Spielergeneration habe, „die darauf wartet, stimuliert, inspiriert und motiviert zu werden. Wir werden sie mit vielen vielen Themen und Ideen beschäftigen.“ Mit neuen Ideen? „So etwas habe ich noch nicht gesehen“, sagte Routinier Mark van Bommel (31), „da ist es auch kein Problem, acht Stunden hier zu bleiben. Ich bin das gewohnt aus Holland. Dort trainiert jeder Verein zwei Mal pro Tag, zwischendurch relaxen die Spieler auf dem Gelände.“ Wie bei den meisten Topklubs in England und Frankreich.

In Italien und Spanien dagegen hängt die Arbeitszeit vom Klima ab. „Weil es einfach zu heiß ist, wird recht früh und am späten Nachmittag trainiert, da fährt man zwischendurch nach Hause“, sagt van Bommel, der 2005/06 eine Saison beim FC Barcelona gespielt hat. Über das neue Leistungszentrum sagt er: „Es gibt nichts Vergleichbares in der Welt.“ Christian Lell formulierte es zeitgemäß: „Supergeile Location.“

Kopierer Klinsi und sein Patchwork-Projekt. „Was hier abgeht, verpflichtet uns, alles zu geben“, sagte van Bommel, „jetzt müssen wir nur noch gewinnen.“ Auch das ist das A und O.

Patrick Strasser

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