Kimmich schwärmt von verschmähtem FC-Bayern-Talent: "Einer, der Eier hat"

Angelo Stiller und Aleksandar Pavlovic sind die Mittelfeld-Hoffnungen im DFB-Team, beide wurden im Nachwuchs des FC Bayern ausgebildet – genauso wie Jamal Musiala. "Gut, solche Jungs zu haben."
von  Maximilian Koch
Beim spektakulären 5:0 gegen Ungarn gab der gebürtige Münchner Angelo Stiller sein DFB-Debüt.
Beim spektakulären 5:0 gegen Ungarn gab der gebürtige Münchner Angelo Stiller sein DFB-Debüt. © IMAGO / Sven Simon

München – Nach einem geselligen Mannschaftsabend in Düsseldorf ging es für Debütant Angelo Stiller und die DFB-Elf am Montag weiter Richtung Amsterdam, die knapp 230 Kilometer lange Strecke vor dem zweiten Spiel der Nations League gegen die Niederlande diesen Dienstag (20.45 Uhr/RTL live) legte das deutsche Team per Bus zurück.

Umweltbewusst! Und nachvollziehbar angesichts der geringen Fahrzeit. Schneller wär's mit dem Flieger (plus An- und Abreise) auch nicht gegangen. Und so eine Busfahrt – mit viel Ruhe, den Blick aus dem Fenster gerichtet, die Kopfhörer auf – ist ja manchmal auch ganz angenehm, um die Gedanken zu ordnen, das Erlebte zu verarbeiten. Was bei Stiller sicher eine ganze Menge war.

Beim 5:0 gegen Ungarn am Samstagabend gab der 23-Jährige seine Premiere in Julian Nagelsmanns DFB-Team, Stiller wurde in der 82. Minute für Robert Andrich eingewechselt. Es war die vorläufige Krönung einer Entwicklung, die vor vielen Jahren beim FC Bayern ihren Anfang nahm. Genauer formuliert: am Bayern-Campus im Norden der Stadt.

Ein grober Fehler: Als Bayern Stiller einfach ziehen ließ

Stiller, der gebürtige Münchner, durchlief von 2010 bis 2019 sämtliche Jugendteams des FC Bayern, ehe er zu den Amateuren wechselte und auf Anhieb Meister in der 3. Liga wurde. 2020 war das, damals unter Coach Sebastian Hoeneß. Eine Chance bei den Profis erhielt Stiller aber nie, stattdessen wurden vermeintliche Mittelfeld-Granaten wie Tiago Dantas oder Ryan Gravenberch verpflichtet.

Im Nachhinein grobe Fehleinschätzungen - denn Stiller verließ Bayern aufgrund mangelnder Perspektive Richtung Hoffenheim, über die TSG ging es weiter zum VfB Stuttgart, wo sich Stiller zum Schlüsselspieler auf der Sechserposition entwickelte. Und gemeinsam mit Trainer Hoeneß in der Vorsaison Vizemeister wurde.

Nach der Heim-EM und den DFB-Abschieden von Toni Kroos und Ilkay Gündogan kam Bundestrainer Nagelsmann nun nicht mehr vorbei an Stiller, der bis zur WM 2026 sogar in die Stammelf rücken könnte. "Eine gute Rolle in dieser Mannschaft würde ich mir schon zutrauen", sagt er selbstbewusst. Zu Recht.

Am Bayern-Campus werden Jochen Sauer, der Leiter der Nachwuchsabteilung, und sein Team daher mit Stolz auf die aktuelle Länderspiel-Periode blicken - zumal Stiller nicht der einzige Überflieger aus dem Münchner Nachwuchs ist. In der Schlussphase gegen Ungarn bildete Stiller gemeinsam mit Aleksandar Pavlovic die Doppelsechs, der 20-Jährige kam nach einer Stunde für Pascal Groß in die Partie. Pavlovic wurde ebenfalls in München geboren und am Campus ausgebildet, er erzielte nun in seinem zweiten Länderspiel sein erste Tor.

Nagelsmann lobt furchtloses Duo Stiller/Pavlovic

Zwei Campus-Schüler, die künftig das deutsche Mittelfeld prägen werden: Aleksander Pavlovic (l.) und Angelo Stiller.
Zwei Campus-Schüler, die künftig das deutsche Mittelfeld prägen werden: Aleksander Pavlovic (l.) und Angelo Stiller. © imago

"Sie haben die Bälle sofort gewollt und versucht, was zu kreieren - ohne Angst", sagte Nagelsmann über das Duo Stiller/Pavlovic, das schon bald das Duo Andrich/Groß angreifen dürfte. Pavlovic, der die EM wegen einer Mandelentzündung verpasst hatte, war einfach nur glücklich. "Spaß" habe es gemacht, sagte er, ehe er das Stadion verließ, alles sei "sehr schön" gewesen.

Vom Campus in die Elite: Nicht nur Stiller und Pavlovic haben diesen Weg inzwischen geschafft, sondern natürlich auch er: Jamal Musiala. Der 21-Jährige, der gegen Ungarn ein Tor erzielte und drei Treffer vorbereitete, kam 2019 aus der Chelsea-Jugend zu Bayern und avancierte seitdem zu einem der besten Spieler der Welt. Marktwert: 130 Millionen Euro. Musiala ist längst Stammspieler im DFB-Team - dort wollen Stiller und Pavlovic in Zukunft auch hin.

Kimmich schwärmt von Stiller: "Einer, der Eier hat"

Und die Mitspieler trauen es ihnen zu. "Beide haben eine brutale Entwicklung genommen", sagt DFB-Kapitän Joshua Kimmich: "Ich kenne Angelo noch von den Amateuren bei Bayern. Da ist er dann leider weggegangen. Da hat man damals schon gemerkt, dass er einer ist, der Eier hat und den Ball will." Stiller und Pavlovic seien "vom Profil her ähnlich", so Kimmich: "Beide sind technisch stark, beide haben ein gutes Passspiel. Es ist immer gut, solche Jungs im Team zu haben, die hungrig sind, die Spaß am Fußball haben."

Mit Paul Wanner (von Bayern diese Saison an Heidenheim verliehen) könnte schon bald das nächste Campus-Juwel zum DFB-Team stoßen. Der 18-Jährige wird von Nagelsmann sehr geschätzt, Wanner tendiert zu Deutschland, wenngleich er auch für Österreich spielen könnte. Ein Thema für die kommenden Monate.

Auch Holland-Star Zirkzee wurde beim FC Bayern ausgebildet

Die Frage, die sich jetzt aufdrängt, lautet: Erhalten Stiller und Pavlovic gegen die Niederländer mehr Einsatzzeit? Möglich. Was bereits feststeht: Sie werden Joshua Zirkzee begegnen, dem niederländischen Mittelstürmer, der eine ähnlich steile Karriere hingelegt hat wie das Duo.

Zirkzee wechselte im Sommer für mehr als 40 Millionen Euro zu Manchester United. Ausgebildet wurde er wie Stiller, Pavlovic, Musiala und Wanner - na klar - am Bayern-Campus.

Die 70 Millionen Euro, die der Klub einst in sein Nachwuchszentrum investierte, haben sich mittlerweile schon ausgezahlt. Und ein Ende der Talente-Flut ist nicht in Sicht.

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