„Kicken? Einmal im Jahr“
Herr Del’Haye, am Sonntag steigt das ewige Duell Bayern gegen Gladbach. Wem drücken Sie die Daumen?
CALLE DEL’HAYE: Ach, ich bin da völlig neutral. Ich hatte bei beiden Vereinen gute Zeiten.
Keine engen Bindungen?
Doch. Kann ich Ihnen erklären: Meine Tochter ist Gladbach-Fan, meine Frau Bayern-Fan, mein Sohn Aachen-Fan, und ich bin genau dazwischen. Aber Fan? Wer so was 15, 20 Jahre beruflich gemacht hat, ist kein Fan mehr.
Ist Fußball noch wichtig?
Ich bin Fußballlehrer, verfolge das Geschehen, bringe mich aber momentan nirgendwo ein. Ich besuche Spiele, zuletzt Bayern gegen Gladbach in der letzten Saison. Da hatte mein Sohn Physik-Doktorprüfung in Garching. Jetzt geht er nach Amerika, er hat eine Chinesin geheiratet. Ich habe gute Freunde in München, bin immer wieder da, nutze das oft für einen Abstecher ins Stadion und werde erstklassig vom FC Bayern verwöhnt.
Zu wem haben Sie Kontakt?
Das ist egal, mit wem ich spreche, wen ich treffe. Alle sind offen, freundlich, interessiert. Man kennt mich noch.
Waren Sie mal wieder an der Säbener Straße?
Vor zwei Jahren. Hat sich einiges verändert. Aber trainiert wird letztlich auf dem Platz. Der Unterschied zu früher ist, dass bei uns 500 statt 5000 Leute zum Training kamen.
Wie haben Sie in den 70ern und 80ern die Duelle Gladbach gegen Bayern erlebt?
Besondere Spiele, klar. Zwei Teams auf Augenhöhe. Aber es ist ein Unterschied, ob man Top-Leistungen in Madrid, Mailand und München bringt – oder in Gladbach, Santander oder der italienischen Provinz. Das war auch bei mir so: Oft waren die Leistungen gleich gut, wurden aber anders, also besser vermarktet.
Damals ging die Meisterschale zwischen Gladbach und Bayern hin und her. Wann und warum konnten die Münchner sich absetzen?
Das war Mitte der 80er, als Bayern bei der einen oder anderen Entscheidung mutiger war, Gladbach zu vorsichtig und Spieler abgab, die man auch hätte halten können.
Nun ist bei Bayern mit Jupp Heynckes ein Weggefährte am Werk...
Mit ihm habe ich vier Jahre zusammen gespielt, hatte ihn ein Jahr als Assistenz-, ein Jahr als Chef-Trainer und habe bei ihm in Teneriffa hospitiert.
Mit 66 verströmt Heynckes noch sehr viel Energie. Erstaunlich, oder?
Finde ich gar nicht. Es macht ihm einfach Spaß! Vielleicht kommt man in eine Situation, in der man ohne den Stress nicht mehr leben kann. Wenn man sich zurückzieht und die Ruhe auf einen einfällt, dann ist das womöglich noch stressiger.
Konnten Sie gut loslassen?
Loslassen ist das falsche Wort. Ich habe immer so gelebt, dass ich wusste, dass mit Mitte 30 Schluss sein wird. Da habe ich vorgesorgt.
Was haben Sie danach getan?
Ich war 15 Jahre an einem Sportreiseunternehmen beteiligt, das an der Costa Brava eine Fußballschule für Kinder organisierte. Dann habe ich alle Trainerausbildungen des DFB gemacht. Diese Option gibt es immer noch. Ich gehe zu Fortbildungen, verlängere die Lizenzen. Da hat man einen gewissen Anspruch, der ist momentan schwer umzusetzen. Aber ich bin offen, ansprechbar für jeden. Ansonsten schlage ich mich mit meinen Immobilien rum. Da hat man genug zu tun, glauben Sie mir! Aber ich will nicht jammern. Meine Frau ist Lehrerin, die Kinder sind 28 und 29, er Physiker, sie Ärztin – alles prima.
Kann man Sie mit den Flügelflitzern Robben und Ribéry vergleichen?
Jein. Generell haben es die Offensivspieler heute besser. Das liegt an Regelauslegungen: Gleiche Höhe ist kein Abseits mehr. Man darf nicht mehr von hinten rein grätschen. Für eine Notbremse gibt’s Gelb-Rot. Zu meiner Zeit hat mein Gegenspieler nach dem dritten Foul nicht mal Gelb gesehen. Da wurde in den letzten zehn Jahren viel gemacht, um das Spiel für schnelle Spieler attraktiver zu machen. Wobei Robben schon torgefährlicher ist als ich.
Kicken Sie selbst noch?
Einmal im Jahr, bei unserem Straßenfest. Eltern gegen Kinder, seit 25 Jahren.