Jupp Heynckes: "Hermann – eine gute Wahl"
Beim 2:0 in Holland gegen Fortuna Sittard saß Jupp Heynckes letztmals als Trainer auf der Münchner Bank. Hier spricht er über die neuen Bayern – und empfiehlt dem künftigen Coach Louis van Gaal den Assistenten Gerland
AZ: Herr Heynckes, Ihre Mission als Platz-Zwei-Retter für vier Wochen ist vorbei, die Mannschaft im Urlaub, die Bosse aber haben nun richtig zu tun. Es gilt, den Kader für die kommende Saison zusammenzustellen. Mario Gomez war der erste Schritt.
JUPP HEYNCKES: Eine gute Entscheidung. Gomez hat hervorragende Voraussetzungen für einen perfekten Stürmer. Er hat die Physis, die Wendigkeit, das Kopfballspiel, das taktische Verhalten – und er macht seine Tore. Er ist ein richtig guter Junge. Aber wenn er in der europäischen Spitze ganz nach oben will, muss er sich weiter verbessern – ab sofort kann er wachsen, da er noch bessere Mitspieler an seiner Seite hat.
Und die Bayern ein Überangebot an Stürmern. Gomez, die Neuverpflichtung Olic vom HSV, dazu Klose und Toni sowie Müller aus der zweiten Mannschaft, der einen Profivertrag bekommt - zu viele?
Finde ich nicht. Olic ist für mich kein Zentrumsstürmer, er kann auch links außen spielen. Und wenn man nur drei Stürmer hat, kann schnell etwas passieren. Das hat man ja gesehen, als Klose im Frühjahr sieben Wochen verletzt ausfiel. Alle Topklubs in Europa haben vier Stürmer. Es ist die Sache der Spieler, sich auch mal ohne zu murren auf die Bank zu setzen. Und dann liegt es am Trainer, zu rotieren. Das ist die Kunst.
Sie haben Rensing und Butt kennen gelernt, die Bayern aber bemühen sich um einen neuen Torwart – wer soll es denn sein? Manuel Neuer vom FC Schalke?
Wenn schon, dann würde ich nur einen deutschen Torwart verpflichten. Die Kommunikation mit der Abwehr ist zu wichtig. Aber ich würde mit Butt und Rensing weitermachen. Zwischen ihnen und Neuer oder Adler sehe ich im Moment keinen großen Qualitätsunterschied. Butt hat zuletzt solide und souverän gehalten, gegen Stuttgart war er sogar richtig Klasse. Aber das soll und wird nun der neue Trainer Louis van Gaal ab 1. Juli entscheiden.
Hat Rensing wirklich noch eine Zukunft bei Bayern?
Er hatte doch nie eine reelle Chance. Man hätte ihn im ganzen Verein noch mehr stärken müssen. Wenn ich eine Nummer eins habe, bekenne ich mich ganz klar zu meinem Mann, da lasse ich nicht mit mir reden und diskutieren. Darunter hatte er zu leiden.
Letzten Mittwoch gewann der FC Barcelona in überragender Manier die Champions League durch ein souveränes 2:0 gegen Manchester United. Wie weit ist der FC Bayern von dieser Qualität entfernt?
Barcelona ist momentan allen enteilt. Diese Spieltechnik, diese Taktik, dieses Tempo, diese Homogenität! Ein Ausnahmeteam. Aber man muss hinterfragen: Woran liegt das? Am Mittwoch waren sieben Spieler aus der eigenen Jugend auf dem Platz. Das ist das Geheimnis. Die Spieler sind hervorragend ausgebildet, dazu kommt: Sie nehmen sich nicht so wichtig, da ist kein Star mit negativer Ausstrahlung drin, da herrscht absolute Harmonie.
Was kann sich der FC Bayern abschauen?
Der Klub muss seine eigene Philosophie haben und auf die Ausbildung eigener Spieler Wert legen. Die Talente müssen mit 16, 17 Jahren schon bei den Profis mittrainieren, da reinschnuppern – das haben Iniesta, Xavi und Messi bei Barca auch gemacht.
Mit Hermann Gerland hätte der neue Coach Louis van Gaal ein gutes Bindeglied zwischen erster und zweiter Mannschaft.
Das wäre eine gute Wahl. Hermann ist ein absolut loyaler Mann, immer offen, der ehrlich und gerade heraus seine Meinung sagt. Er hat einen trockenen Humor, erzählt wunderbare Anekdoten. Mit van Gaal kommt ein sehr guter Trainer. Er weiß: Das Kollektiv muss funktionieren – dann kann Bayern wieder näher an Barcelona heranrücken.
Sie beobachten das aus der Perspektive des Rentners?
Es ist gut, sich jetzt wieder zurückzuziehen. Denn so perfekt wie beim FC Bayern werde ich es bei keinem anderen Verein vorfinden - besser kann man es nicht haben.
Also war das Testspiel am Sonntag in Sittard Ihr wirklich letztes Mal als Trainer?
Kann sein, ja. Es sieht so aus. Aber ich würde nicht sagen: Das war es definitiv.
Interview: Patrick Strasser