Journalist Fatih Demireli aus München wird Fußball-Boss: "Bin mit Herzblut bei Galatasaray"
Istanbul/München - Von so einer Karriere wagen wohl die Wenigsten zu träumen. Fatih Demireli war zunächst Sport-Journalist, schrieb für verschiedene Portale und Magazine über den türkischen Fußball. Dann wurde ausgerechnet sein Lieblingsverein Galatasaray Istanbul auf den gebürtigen Münchner aufmerksam.
Wie es dazu kam, welche Rolle er beim türkischen Rekordmeister einnimmt und wie er auf das bevorstehende Champions-League-Duell gegen den FC Bayern blickt, verrät Fatih Demirel im AZ-Interview.
AZ: Herr Demireli, ein Münchner in Istanbul, unter Vertrag beim Bayern-Gegner Galatasaray. Sie haben die Seiten gewechselt, aus dem Journalisten mit besten Kontakten zum türkischen Fußball wurden Sie im Sommer 2022 zum festangestellten "Director of Research and Development". Da wir uns gut kennen – wie viele Handys, wie viele Akkus haben Sie aktuell?
FATIH DEMIRELI: Früher hatte ich eine Powerbank für Notfälle, heute besitze ich zwei. Ich habe zwei Telefonnummern in einem Handy, nächtliche Anrufe sind ganz normal. In der Transfer-Hochphase hatte ich einmal bis 11.30 Uhr schon 36 Anrufe. Weiter habe ich dann nicht gezählt. Es ist definitiv ein 24-Stunden-Job.
So wurde der Münchner Journalist Fatih Demireli zum "Spieler-Kümmerer" bei Galatasaray
Als Redakteur und Bayern-Reporter haben Sie nach Stationen bei bundesliga.de, Sport1 und Spox ab Juli 2016 als Chefredakteur die deutsche Ausgabe des türkischen Sportmagazins Socrates aufgebaut, wurden zusätzlich Herausgeber. Sie waren TV-Experte und Korrespondent für türkische Sender in Deutschland – und umgekehrt. Wie kam es dann zum konkreten Job-Angebot?
Eines Tages habe ich in München an einem Artikel gearbeitet. Da kam ein Anruf vom neu gewählten Gala-Vizepräsidenten. Wir haben über den Erfolg der deutschen Vereine gesprochen. Wie schaffen sie es, über Jahre so eine gute Struktur aufzubauen, größtenteils auch ohne Investoren? Deutsche Klubs wachsen sehr organisch, weil sie eine gute Organisation im Profi- und im Nachwuchsbereich haben. Der deutsche Fußball generell wird seit den Zeiten von Trainerlegenden wie Jupp Derwall oder Christoph Daum in der Türkei sehr geschätzt. Als ich mit meiner Frau eine Woche in Belek Urlaub gemacht habe, wurde der Kontakt intensiver. Am Ende der Gespräche flog ich nicht mehr nach München zurück, sondern direkt nach Istanbul. Es war eine ganz besondere Erfahrung und ist eine sehr spannende Zeit – vom ersten bis zum heutigen Tage.
Gala-Stars wie Mauro Icardi schätzen Ihre Arbeit.
Ein Teil meiner Aufgabe ist es, ein Spieler-Kümmerer zu sein. Es ist nötig, einen engen Draht zu den Spielern aufzubauen. Wir haben so unterschiedliche Spieler mit ihren Alltagsproblemen abseits des Fußballs. Ich kümmere mich sehr gerne, komme mit allen gut zurecht, speziell mit den Deutsch-Türken, da hilft mir natürlich die Zweisprachigkeit. Auch bei Transfers wie Kerem Demirbay diesen Sommer von Bayer Leverkusen bin ich involviert, habe mich mit ihm und seiner Frau zu einem ersten Gespräch in Bodrum getroffen. Ich habe mich dann in die Thematik reingefuchst, war auch bei Verhandlungen mit Klubs wie Sassuolo Calcio im Zuge des Wechsels von Kaan Ayhan, ein gebürtiger Gelsenkirchener, beteiligt.
Schon als Kind schlug Fatih Demirelis Herz für Galatasaray
Was ist der größte Unterschied zu Ihrer früheren journalistischen Arbeit?
Ich war Journalist mit Leib und Seele, bin jetzt mit Herzblut bei Galatasaray. Als Autor lebst du mit deinem Text in deiner eigenen Welt, machst deine Recherche und lässt dich dann nicht so sehr von äußeren Einflüssen treiben. Natürlich kommt aus der Redaktion und der Leserschaft Feedback. Innerhalb eines Vereins hast du es tagtäglich mit viel mehr Menschen zu tun, stehst permanent unter Beobachtung. Die Leute erwarten, dass du immer funktionierst. Klar, Leistungsdruck gibt es in beiden Jobs. Wenn du trotz des knallharten Geschäfts Spaß und Freude an deinem Job entwickelst, dabei die Menschlichkeit nicht vergisst, wirst du belohnt. Unser neuer Präsident hat nach seiner Wahl gesagt: Wir wollen Liebe in den Verein bringen. Das spürt man, das gefällt mir. Ich fühle mich sehr wohl.
Wie kamen Sie zum Fußball?
Prägend war für mich das Olympiastadion in München. Mein Papa hat mich oft mitgenommen, damals konnte man sogar noch direkt vor dem Spiel Karten an der Tageskasse kaufen – welch' romantische Zeit! Ich war großer Fan von Lothar Matthäus, Bruno Labbadia, Adolfo Valencia. Später war Mehmet Scholl der große Held. Als wir in den Sommerferien mit dem Auto nach Istanbul gefahren sind, habe ich mein erstes Gala-Trikot bekommen. Papa und mein Onkel haben mich erstmals mitgenommen ins "Ali Sami Yen", das frühere Stadion von Galatasaray, benannt nach unserem Gründer. Auch wenn nur rund 20.000 Fans da waren – die Stimmung war gigantisch. Da sprang der Funke über, ich wurde Gala-Fan. Trotzdem sind die Bayern noch in meinem Herzen, weil ich sie immer verfolgt habe. Aber Gala ist mein Verein, der Job hier nun ist mein Lebenstraum. Ich bin froh, dass ich meinen Papa stolz machen konnte, für Gala zu arbeiten. Als Ur-Münchner verpasse ich auch heute kein Bayern-Spiel. Um mich zu informieren, lese ich die Abendzeitung und andere Münchner Medien.
"Sowas haben sie selten erlebt": Warum Galatasaray nicht chancenlos gegen den FC Bayern ist
Welche Bedeutung hat Gala in der Türkei?
Eine unbeschreiblich große. Für die meisten ist es mehr als ein Verein, im Grunde der Sinn des Lebens. Ihre Laune hängt davon ab, wie es bei Gala läuft. Als das schwere Erdbeben im Februar die Türkei erschütterte, haben wir viele Nachrichten erhalten von Menschen, die Teile ihrer Familie oder ihr Haus verloren haben und trotzdem weitermachen, weil sie sagen: Die Liebe zu Gala hält mich am Leben. In solchen Momenten spüre ich die Verantwortung, meinen Job noch gewissenhafter zu machen, damit Gala möglichst erfolgreich ist.
Hat Galatasaray gegen Bayern eine Chance?
Klar, warum nicht? Thomas Tuchel ist ein Top-Trainer, man sieht den Einfluss von Harry Kane, die aktuelle Form von Leroy Sané. Sie sind der Favorit in der Gruppe, aber wir haben im Old Trafford gegen Manchester United gewonnen. Wir haben eine Mannschaft, die dem Gegner wehtun kann.

Welche Atmosphäre erwartet die Münchner vor den knapp 50.000 Fans im "Rams Park"?
Die Stimmung ist extravagant, kann ein Faktor sein, die Tribünen vereinen eine außergewöhnliche Kraft. Sowas haben selbst die gestandensten Bayern-Profis selten erlebt. Die Anfragen für das Spiel waren gigantisch, wir hätten die Arena drei oder vier Mal voll bekommen können.