Jonkers schwerste Tage
Unter der Woche erleidet seine Mutter einen Herzstillstand. Dem Team erzählt er es erst nach Spielschluss in der Kabine
München - Schlusspfiff in der Allianz Arena – ein 5:1 gegen Bayer Leverkusen, da drückte Sportdirektor Christian Nerlinger den Fünf-Spiele-Cheftrainer Andries Jonker kräftig und innig an sich. Er wusste, warum. Da waren die drei Punkte gegen den Tabellenzweiten und die geglückte Premiere des Holländers nebensächlich.
Die Mannschaft erhielt den Befehl, nach der Ehrenrunde sofort in die Kabine zu gehen – Interviews auf dem Rasen wurden verschoben. Warum verstand zunächst keiner der Bayern-Profis. Bis Jonker in der Kabine vor ihnen stand und eine kurze Ansprache hielt. Der 48-Jährige erklärte, warum er sofort zum Flughafen fährt, um nach Amsterdam zu reisen und dass sein Assistent Hermann Gerland am Montag das Auslauf-Training übernimmt. Den Grund kannten bis dahin nur die Assistentstrainer und Nerlinger: Jonkers Mutter hatte am Donnerstag einen Herzstillstand erlitten, ihr Zustand soll weiterhin kritisch, aber nicht mehr dramatisch sein. Jonker hatte diese schwere Nachricht – beinahe – ganz für sich behalten, wollte die Mannschaft nicht mit diesem Thema belasten. Nun aber will sich der der Vater von drei Kindern erstmal um seine Mutter in Amsterdam kümmern. Darauf angesprochen sagte Jonker am späten Sonntagnachmittag beim Verlassen der Arena zur AZ: „Tut mir leid. Ich kann und will dazu nichts sagen, bitte haben Sie Verständnis.”
Die vergangene Woche des Andries Jonker – es waren seine schwersten Tage. Nach dem 1:1 letzten Samstag in Nürnberg war er vom Vorstand gefragt worden, ob er sich den Job als Nachfolger von Louis van Gaal vorstellen könne. Jonker holte sich vor der Zusage erst das telefonische Okay van Gaals, zu loyal war das Verhältnis des Assistenten zu seinem Chef aus gemeinsamen Tagen in Barcelona und zuletzt 21 Monaten in München. Nur einen Tag zuvor hatte Nerlinger Jonker angeboten, ab Sommer als Chef-Trainer die zweite Mannschaft nach dem nicht mehr zu verhindernden Abstieg in die Regionalliga neu aufzubauen. Kein Umzug mit der Familie, kein Jobwechsel, dazu der Interims-Posten bei den Profis. „Die ersten zwei Tage hatte ich kein gutes Gefühl”, sagte Jonker, der am freien Dienstag seine Gedanken ordnete und einen Trainingsplan erstellte. Mittwoch und Donnerstag wurde auffallend viel gelacht bei den Übungseinheiten an der Säbener Straße. Dann ereilte Jonker die Schreckensnachricht vom Zustand seiner Mutter. Er überlegte hin und her, nach Amsterdam zu reisen, Hermann Gerland hätte in diesem Fall die Leverkusen-Partie als Chef betreut. So gut es ging versuchte er, sich auf die Spielvorbereitung zu konzentrieren.
Rein sportlich war das 5:1 natürlich eine große Erleichterung für Jonker, der erste der angestrebten fünf Siege ist eingefahren. „Es war nicht das einfachste Spiel für mich, um anzufangen”, erklärte Jonker, „ich habe drei Mal gegen Leverkusen gespielt, drei Mal 1:1, das war immer sehr schwierig. Dieses 5:1 gegen Leverkusen ist auch für mich eine Überraschung, vor allem zur Halbzeit 4:0 zu führen. Damit hatte ich nicht gerechnet.” Seine Worte scheinen angekommen zu sein. Jonker froh: „Die Jungs haben die Botschaft verstanden und gemacht, was sie machen müssen.”
Am Dienstag ist trainingsfrei, für Mittwoch plant Jonker seine Rückkehr nach München.