Interview

FC-Bayern-Urgestein Sepp Maier spricht über Neuers Pläne: "Ich glaube, dann macht er Schluss"

FC-Bayern-Legende Sepp Maier feierte am Mittwoch seinen 80. Geburtstag. Im zweiten Teil des AZ-Interviews spricht er über den heutigen Fußball, das Meisterrennen in der Bundesliga und die Zukunft von Manuel Neuer.
Patrick Strasser |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
2  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Torwart-Legenden unter sich: Sepp Maier und Manuel Neuer.
Torwart-Legenden unter sich: Sepp Maier und Manuel Neuer. © IMAGO / ActionPictures

AZ-Interview mit Sepp Maier: Der Weltmeister (1974) und Europameister (1972) spielte von 1962 bis 1979 für den FC Bayern, holte vier Meisterschaften und gewann drei Mal den Europapokalsieger der Landesmeister, als Nationaltorhüter spielte er 95 Mal für Deutschland, nach seinem Karriereende 1979 war Maier Torwart-Trainer beim FC Bayern und der DFB-Elf. Am vergangenen Mittwoch wurde er 80 Jahre alt.

Sie gehen zwar selten ins Stadion, verfolgen den heutigen Fußball aber immer noch intensiv.
SEPP MAIER: Das Drumherum heutzutage gefällt mir nicht mehr, das wird alles immer schlimmer, dieses ganze Theater auf Social Media und was auch immer. Und wenn Bayern zwei, drei Mal hintereinander verliert, ist gleich die Hölle los. Aber den reinen Fußball, das Spiel, verfolge ich sehr gerne.

Lesen Sie auch

Sie kamen als Jugendspieler zum FC Bayern, blieben dem Verein die gesamte Profikarriere über treu, von 1962 bis 1979. Wie sehr leiden Sie vor dem Fernseher mit Ihren Bayern?
Schon ziemlich. Bayern spielt momentan einfach nicht gut. Diese Querpässe! Ich habe das Gefühl, die Tore stehen an den Außenlinien auf Höhe der Mittellinie. Leverkusen spielt einen super Fußball, ist momentan die beste Mannschaft in Deutschland und hat aktuell – wie sonst meist die Bayern bei einem Lauf – das Glück, dass man in der Nachspielzeit noch das Siegtor erzielt.

Wird Leverkusen Meister?
Und wenn schon! Man muss sich vor Augen halten, dass diese Spielergeneration der Bayern elf Mal hintereinander die Meisterschaft gewonnen hat, das Double meist noch dazu. Dann gewinnen sie eben mal nicht die Schale – was ist schon dabei? Ein Jahr Pause ist auch okay, dann können wir Kräfte sammeln. Wir lassen jetzt die Leverkusener den Titel gewinnen und werden dann ab 2025 wieder elf oder zwölf Mal hintereinander Meister. Andererseits sind noch elf Spieltage zu absolvieren, 33 Punkte zu vergeben. Leverkusen sollte sich nicht zu sicher fühlen! Bayern hat schon mal neun Punkte auf Borussia Dortmund aufgeholt.

Sepp Maier legt sich fest: Manuel Neuer steht bei der Heim-EM im Tor

Wie beurteilen Sie Bayern-Torhüter Manuel Neuer und dessen Leistungen seit seinem Comeback im Herbst?
Ich habe immer zu Manuel gehalten, kenne ihn sehr gut. Wir sind ab und zu in Verbindung, unterhalten uns. Kürzlich war ich an der Säbener Straße, da haben wir anlässlich meines 80. Geburtstags eine kurze Szene miteinander gedreht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist und wie lange es dauert, wenn man ganz oben ist und nach einer Verletzung wieder dorthin möchte. Manuel hat bewiesen, dass er den Willen und das Können hat. Der Weg zurück hat ein paar Monate gedauert, war aber mit Blick auf seine ganze Karriere nur eine kurze Unterbrechung.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Wird Neuer bei der Heim-EM im Sommer im Tor der Nationalelf stehen?
Ja, logo! Marc-André ter Stegen macht es auch gut, hatte jedoch ebenfalls mit einer Verletzung (Rücken-Operation, d. Red.) zu kämpfen. Manuel hat es verdient, nach 117 Länderspielen die EM im eigenen Land zu bestreiten – nicht, dass es ihm genauso ergeht wie Oliver Kahn, der Jahre lang die Nummer eins der Nationalelf war und dann von Jürgen Klinsmann vor der WM 2006 in Deutschland zugunsten von Jens Lehmann ausgebootet wurde. So etwas wünsche ich keinem Torhüter. Nach der EM, denke ich, wird Manuel seine DFB-Karriere beenden.

FC Bayern: Maier glaubt, dass Manuel Neuer nächstes Jahr seine Karriere beendet

Er könnte ja noch bis zur WM 2026 weitermachen – auch wenn er dann schon 40 ist.
Wenn du als Torwart in ein gewisses Alter kommst, bist du gereifter. Dein Spiel wird ruhiger, dich regt nicht mehr so viel auf. Als Junger tangiert dich das Drumherum viel mehr. Manuel hat bei Bayern noch eineinhalb Jahre Vertrag bis 2025. Ich glaube, dann macht er Schluss. Mit 39, ein gutes Alter. Mein Plan war damals, mit 38 Feierabend zu machen. Die EM 1980 in Italien und die WM 1982 in Spanien hatte ich mir als Ziele gesetzt, vor allem nach der miesen WM 1978 in Argentinien (das DFB-Team scheiterte in der Zwischenrunde unter anderem an Österreich, d. Red.). Ohne den Autounfall hätte ich das auch gepackt.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Was kann das DFB-Team mit Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der EM erreichen?
Ich hoffe, dass die deutsche Mannschaft sehr weit kommt, wünsche ihr den Titel. Aber ehrlich gesagt traue ich diesem Team nicht viel zu. Was die zuletzt für einen Mist zusammengespielt haben, kannst du ja gar nicht mehr anschauen – das war zum Teil schlimm! Aber vielleicht können sie den Mythos der deutschen Turniermannschaft wieder aufleben lassen. Wie wir früher. In den Jahren dazwischen haben wir schlecht gespielt, aber im Turnier waren wir da! Dieses Grundgefühl ist verloren gegangen, das vermisse ich. Es wird zu viel gesprochen und gequakt, aber dann passt die Leistung nicht. Außerdem wird ständig herumgedoktert, zig Neulinge ausprobiert. Mal spielt der, dann wieder ein anderer. Ein Trainer muss doch dafür sorgen, dass sich ein Gerüst findet und einspielt – am besten mit dem gleichen System wie in den großen Vereinen.

Sepp Maier über die Heim-WM 1974: "Der Druck war immens hoch"

Sie haben 1974 die WM in Deutschland gespielt – und gewonnen. Hat Sie also der Heimvorteil beflügelt? Der Druck, als Gastgeber zu den Favoriten zu gehören, hätte auch lähmen können.
Der Druck war immens hoch, weil wir zwei Jahre zuvor Europameister geworden sind. Nach der schwierigen Gruppenphase haben uns die Zuschauer mehr und mehr gepusht. Positiv war, dass in jenen Jahren der Stamm zusammengeblieben ist. Bundestrainer Helmut Schön hatte eine feste Gruppe von so 16, 18 Spielern, die sich auch mal eine schlechte Phase im Verein erlauben konnten. Diese Spieler hat Schön trotzdem wieder eingeladen. Heutzutage wird einer ja gleich Nationalspieler, wenn er vier Wochen lang in der Bundesliga geradeaus laufen kann...

Sie waren für viele nachfolgende Generationen weltweit das Torhüter-Vorbild. Wer war eigentlich Ihr Vorbild?
Zunächst, als ich 1958 zu Bayern kam, Lew Jaschin, der Sowjetrusse. In den Jahren 1955 und ‘56 habe ich ihn erstmals in Länderspielen gegen Deutschland gesehen – in unserem kleinen Kasten, dem Schwarz-Weiß-Fernseher, der bei uns zu Hause auf dem Küchenschrank stand.

Also waren die Maiers damals eine der wenigen Familien mit Fernseher.
Richtig, wir hatten das Gerät, weil mein Vater in München-Haar in einem Radio-Geschäft gearbeitet hat. Der Fernseher hatte aber nur rund 20 Zentimeter Durchmesser. Das war uns jungen Burschen zu klein, also sind mein Bruder und ich zum Elektrogeschäft gesaust. Die hatten einen riesigen Fernseher im Schaufenster, die Lautsprecher nach draußen gerichtet. Vor allem bei den deutschen Spielen war da eine riesige Menschentraube, wir haben uns immer mal zwischen den Beinen der Erwachsenen durchgedrückt und kurz geschaut. Denn eigentlich haben wir auf der Wiese nebenan selbst gespielt, die Szenen nachgestellt. Erst mit 14 wollte ich Torhüter werden, der Engländer Gordon Banks wurde mein neues Idol.

Darum war Lew Jaschin plötzlich nicht mehr Sepp Maiers Vorbild

Den Sie bei Ihrem ersten Turnier live sehen konnten. Als einer der Ersatztorhüter waren Sie bei der WM 1966 in England dabei.
Im Halbfinale sind wir in Liverpool auf die Sowjetunion getroffen. Der Franz (Beckenbauer. d. Red.) hat Jaschin aus rund 22, 23 Metern mit links einen reingedonnert, halbhoch ins Torwarteck – zum 2:0. Als Jaschin da nicht richtig hingehechtet ist und den Ball reingelassen hat, hab’ ich mir gesagt: Der ist nicht mehr mein Vorbild! Als unsere Nummer eins, Hans Tilkowski vom BVB, sich vor dem Finale gegen die Briten in Wembley das Schultereckgelenk verletzt hatte, durfte ich mit meinen erst 22 Jahren Hoffnungen machen. Aber sie haben Tilkowski fit bekommen. Dennoch hatte ich in England mit Günter Bernard, dem zweiten Ersatztorhüter von Werder Bremen, eine tolle Zeit. Auf unserem Hotelgelände gab es ganz tolle Tennis-Rasenplätze. Wir haben uns im Supermarkt Bälle und günstige Schläger gekauft und losging‘s. So habe ich mit dem Tennis angefangen. Wie die Wahnsinnigen sind wir nach den Bällen gehechtet, unsere weißen DFB-Trikots waren danach ganz grün. Schon damals habe ich den Becker-Hecht gemacht, knapp 20 Jahre vor Boris in Wimbledon. Der war eigentlich meine Erfindung, müsste also der Maier-Hecht heißen (lacht).

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
2 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • dakaiser am 04.03.2024 18:20 Uhr / Bewertung:

    Der Seppe war schon ein Supertorwart und hat und 1974 den Titel gerettet mit seinen Wahnsinnsreaktionen. Da hat die Leistung gestimmt. Alles Gute noch einmal!

  • Analyst am 05.03.2024 20:53 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von dakaiser

    Auch ein Neuer war ein fantastischer Torwart,wer wird unsere Äera fortführen?

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.