FC Bayern: "Man muss sensibler sein"
AZ: Herr Wörle, eine wissenschaftliche Studie belegt, dass beim Frauenfußball im Vergleich zu den Männern die Akteure weniger simulieren und schauspielern. Sie waren Zweitliga-Spieler, sind jetzt der Trainer der Bayern-Frauen, die am Sonntag mit dem Spiel gegen Leverkusen in die Saison starten. Sagen Sie, wer ist wehleidiger?
THOMAS WÖRLE: Dazu hätte ich gar keine Studie gebraucht: Es ist ganz eindeutig, dass Frauen eine ganz andere Leidensfähigkeit haben. Männer sind da viel wehleidiger. Dieses Geschauspielere oder das Rausschinden von Elfmetern gibt es bei uns nur sehr selten. Das entspricht nicht dem Wesen der Frauen.
Ist der Charakter des Spiels bei den Frauen ein anderer?
Ja. Wenn eine die andere wirklich umtritt, geht die Spielerin hin und entschuldigt sich ehrlich dafür, fragt, ob es wieder geht. Ich denke, das Spiel der Frauen ist ehrlicher und fairer. Es gibt ja Männer, die sagen, dass es naiv sei, wenn man nicht auch mal was rausschindet, aber Frauen denken so nicht. Und ich kann nur sagen: Wenn das naiv ist, dann ist auch Sportlichkeit und Fairness naiv.
Was ist in Ihren Augen typisch Mann und was typisch Frau im Fußball?
Die Frau ist so, dass sie sehr viel hinterfragt, sie geht an taktische Anweisungen auch vielleicht logischer ran. Der Mann ist da manchmal einfacher zu handhaben. Er kann auch mit Druck besser umgehen.
Haben Sie sich umstellen müssen, als Sie den Trainerjob bei den Bayern-Frauen annahmen? Der Männerfußball ist ja doch von einem rustikalen Tonfall geprägt.
Ich habe den Vorteil, dass ich mit zwei Schwestern aufgewachsen bin, da habe ich schon viel Einblick in die weibliche Seele erhalten. Es ist so, dass nicht jede mit einer harten Ansprache, mit aufgebautem Druck sehr gut umgehen kann. Als Frauentrainer muss man sicher sensibler sein. Der Mann zieht sich lieber irgendwann in sich zurück und macht die Sache mit sich selber aus. Frauen haben eben das Bedürfnis, eine Sache unter sich bis zu Ende zu diskutieren.
Zickenzoff kommt doch eher im Frauensport vor.
Animositäten unter Frauen gehen oft tiefer, dauern länger und sie enden auch nicht zwanghaft auf dem Platz. Wenn Männer sich nicht mögen, klärt man das auf dem Platz. Dann grätscht man den Anderen halt mal richtig ab. Das habe ich auch so gemacht, aber damit ist die Sache dann auch aus der Welt geschafft. Bei Frauen kann das auch ins Private hineingehen. Zum Glück haben wir im Moment so eine gute Truppe, dass ich mich mit diesem Problem nicht beschäftigen muss.
Im Frauenfußball stehen sehr viele Spielerinnen zu ihrer Homosexualität, im Männerfußball ist das undenkbar. Wo sehen Sie da die Ursachen?
Klar ist, dass es im Männerfußball Homosexuelle gibt. Sicher mehr, als man sich vielleicht vorstellt. Aber ich denke, es wird sich so schnell kein aktiver Fußballer outen. Wenn man sich die Fans in den Stadien anschaut, die können einen schon richtig fertigmachen, wenn sie wollen.
Was man ja gerade bei Dietmar Hopp, dem Mäzen von 1899 Hoffenheim gesehen hatte, der gegen Dortmund 90 Minuten lang als „Sohn einer Prostituierte” besungen wurde.
Eben, da kann man sich vorstellen, was ein Homosexueller durchmachen müsste. Stimmt, ich will gar nicht wissen, was ein bekennend Homosexueller da im Stadion alles zu hören bekäme. Die Homophobie ist da bei den Männern viel ausgeprägter. Der Druck wäre schnell so enorm, dass man sich zwischen Sport und Privatleben entscheiden müsste und sich der Betroffene vom Fußball abwenden würde. Frauen gehen damit natürlicher um und haben den Vorteil, dass sie nicht so in der Öffentlichkeit stehen.
Der Frauenfußball hat sich optisch gewandelt, wenn man sich den Kader der Bayern-Frauen ansieht, da sind einige Spielerinnen, die fast Models sein könnten...
Es war sicher so, dass im Frauenfußball anfangs einige sogenannte Mannweiber spielten. Aber Frauenfußball ist nun so in der Gesellschaft angekommen, dass eben auch ganz normale Mädels jetzt kicken. Die sind fesch, die wollen sich schminken, die wollen sich schön machen. Wäre das Image des Frauenfußballs immer weiter von Mannweibern geprägt, würden viele dieser Mädels gar nicht Fußball spielen, weil ihnen das Mädchensein zu kurz käme.
Viel getan hat sich auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Gerade die WM dürfte da viel verändert haben.
Ja, es wurden lange nur die alten Vorurteile aufgekocht. Bei der WM hat aber jeder sehen können, welchen Sprung unser Sport in Sachen Athletik gemacht hat. Das Gute war ja, dass Frauenfußball plötzlich omnipräsent war. Man kam gar nicht daran vorbei. Die Leute, die noch nie ein Frauenspiel gesehen haben, aber einfach Vorurteile nachgebetet haben, haben die veränderte Realität gesehen. Frauenfußball ist attraktiv, man darf halt nur nicht den Fehler machen, ihn mit Männerfußball zu vergleichen. Die Realität ist, dass wir uns, wenn wir gegen eine B-Junioren-Mannschaft der Männer antreten, extrem anstrengen müssen, um uns durchzusetzen.
Welche positiven Effekte erwarten Sie denn von der WM für den FC Bayern?
Ich denke, dass mehr Zuschauer ins Stadion kommen werden. Bis jetzt haben wir so einen Schnitt von 400 Zuschauern pro Spiel. Wir werden auch im Drumherum etwas machen, damit ein Eventcharakter entsteht, damit man die Familien an sich binden kann. Am Ende müssen wir aber mit Qualität überzeugen, Einmal kommt einer vielleicht aus Neugierde, wenn er zehnmal kommt, dann weil ihm der Sport gefällt.
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